Kirchentag endet mit Appell zum Frieden

95.000 Gläubige auf dem Cannstatter Wasen

7. Juni 2015

Gottesdienst unter freiem Himmel (Foto: epd/Stark)

Fünf Tage lang haben sie diskutiert, gesungen, gebetet - zum Abschluss feierten die Besucher des Kirchentages einen großen Gottesdienst unter freiem Himmel. Zu den zentralen Themen des Christentreffens in Stuttgart zählte der Flüchtlingsschutz.

Stuttgart (epd). Mit Aufrufen zur Lösung globaler Konflikte ist am Sonntag der evangelische Kirchentag in Stuttgart zu Ende gegangen. "Trauen wir Gott mehr zu als ein bisschen Sozialromantik: einen Frieden, der die Welt umfasst", sagte die Hildesheimer Pastorin Nora Steen im Schlussgottesdienst vor rund 95.000 Gläubigen auf dem Cannstatter Wasen. Nicht nur die Staats- und Regierungschefs beim G-7-Gipfel im bayerischen Elmau seien gefordert, betonte sie. Jeder stehe an seinem Ort und mit seinen Möglichkeiten in der Verantwortung. Kirchentagspräsident Andreas Barner appellierte an die Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industrienationen, insbesondere gegen das Flüchtlingssterben im Mittelmeer vorzugehen.

Die Diskussion um Friedensethik und Flüchtlinge hatten zu den zentralen Themen des fünftägigen Protestantentreffen gehört. Am Samstag wurde unter anderem über die Frage gestritten, ob in Krisengebieten militärisch interveniert werden dürfe. Insgesamt hatten seit Mittwoch rund 97.000 Dauerteilnehmer debattiert, Bibelarbeiten besucht, gesungen und gefeiert. Der Kirchentag kostete 18,2 Millionen Euro.

Zur Flüchtlingspolitik sagte Kirchentagspräsident Barner dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Ich bin mir sicher, dass bessere Lösungen zu finden sind als das, was wir leider derzeit erleben müssen." Es dürfe nicht mehr zugelassen werden, dass Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. Barner will an den Ergebnissen des G-7-Treffens auf Schloss Elmau die Zusage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) messen, ob alles, was möglich ist, zur Rettung der Flüchtlinge getan wird. "Danach können wir beurteilen, ob ein Ruck durch die G-7-Staaten geht", sagte der Chef des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim.

Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte bereits am Samstag auf dem Protestantentreffen eine humanitäre Flüchtlingspolitik gefordert. Das Zuwanderungsproblem könne nicht einfach mit höheren Zäunen oder einer Politik der Abschottung gelöst werden. Migration könne nicht gestoppt werden. Deutschland sei in dieser Frage vergleichsweise offen und habe viele Migranten aufgenommen, die vor Gewalt und Armut geflohen seien: "Ich bitte Sie dringend, diesen Weg der Menschlichkeit weiterzugehen", sagte Annan.

Am Samstag hatte eine kontroverse Debatte über die ethische Berechtigung militärischer Interventionen in Krisengebieten den Kirchentag bestimmt. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm sagte, Gewalt bringe "nie eine Lösung", sei aber manchmal nötig, um die Vernichtung von Menschen zu verhindern. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warb für eine aktive Rolle Deutschlands bei der Bewältigung internationaler Konflikte. "Wegschauen, Nichtstun, Heraushalten scheint manchmal eine verlockende Alternative für viele." Aber das dürfe sie auch aus christlichen Überzeugungen nicht sein.

Der Tübinger Konfliktforscher Markus Weingardt sprach sich indes klar gegen bewaffnete Interventionen aus. Es gebe keinen Konflikt, in dem Mittel der zivilen Krisenbewältigung eingesetzt worden wären, kritisierte er in Stuttgart. In der Innenstadt demonstrierten Friedensaktivisten mit einer Menschenkette für den Abzug von Atomwaffen aus Europa und für die Schließung zweier US-amerikanischer Kommandozentralen.

Zum Abschluss der Gottesdienstes am Sonntag wurden die Gläubigen zum Katholikentag 2016 nach Leipzig und zum nächsten evangelischen Kirchentag in zwei Jahren in Berlin und Wittenberg eingeladen. Das Protestantentreffen vom 24. bis 28. Mai 2017 wird eng verknüpft sein mit den Feiern zum 500. Reformationsjubiläum, die an die Veröffentlichung der 95 kirchenkritischen Thesen durch den Reformator Martin Luther im Jahr 1517 erinnern. Der Berliner Bischof Markus Dröge versprach, in der Hauptstadt werde der Kirchentag auf eine kritische Öffentlichkeit, die "Berliner Schnauze" und kulturelle Vielfalt treffen.