32. Deutscher Evangelischer Kirchentag

„Wir sind noch lange nicht über dem Berg“

10.000 Zuhörer bei Altkanzler Schmidt und Weltbank-Chef Zoellick

22. Mai 2009

Für Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist ein Ende der weltweiten Wirtschaftskrise nicht in Sicht. „Wir sind noch lange nicht über dem Berg“, sagte Schmidt  auf dem 32. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Bremen. Der 90-Jährige, den rund 10.000 Zuhörer im AWD-Dome mit begeistertem Applaus empfingen, forderte internationale Regeln für die Finanzwirtschaft und eine Aufsichtsbehörde.  Es gebe Regeln für den internationalen Luft- und Seeverkehr, nur für den Kapitalverkehr existierten keine Vorschriften. „Da herrscht absolute Freiheit, auch für den gröbsten Missbrauch“, sagte Schmidt im Gespräch mit Weltbank-Präsident Robert B. Zoellick.

Mit einer schnellen Einführung internationaler Vorschriften rechnet der Altkanzler allerdings nicht. „Das wird ein langer Prozess, denn Politiker sind selten bereit, sich zu korrigieren.“ Die Krise kann nach Ansicht Schmidts nur mit einer expansiven Haushalts- und Geldmarktpolitik zur Stimulierung der Nachfrage bewältigt werden. Er lobte die bisher „größten Konjunkturprogramme“, die Staaten in Friedenszeiten aufgelegt hätten.

Weltbank-Präsident Robert B.  Zoellick rief  die Industriestaaten dazu auf, Entwicklungsländer in der Rezession zu unterstützen. Sie hätten die Krise nicht verursacht, aber am meisten darunter zu leiden. Nach Berechnungen der Weltbank könnten infolge der Krise zwei Millionen Kleinkinder in armen Staaten sterben. Die Bundesrepublik dürfe in ihrem Engagement für die Ärmsten nicht nachlassen. „Reden Sie mit ihren Bundestagesabgeordneten“, appellierte Zoellick an die Besucher des Kirchentages.

Nach Ansicht von Schmidt kann keiner vorhersagen, wie schnell und nachhaltig sich die Rettungspakete und Konjunkturhilfen der Staaten auswirken werden. Die Krise sei aber wohl im Laufe eines Jahrzehnts zu bewältigen. Das viel größere Problem sei die Explosion der Bevölkerung in Afrika und Asien, die auch eine Bedrohung für Europa darstelle.

Der Altkanzler forderte neue Leitlinien für die deutsche Entwicklungshilfe. Geld dürfe es nur  noch gegen Zusagen der Empfängerstaaten geben, ihre Militärausgaben drastisch zu reduzieren und  Mädchen gleichen Bildungschancen einzuräumen.  „Eine exzellente Idee“, kommentierte Zoellick diesen Vorschlag, Bildung sei der entscheidende Faktor, um das Bevölkerungswachstum zu bremsen. „Je höher das Einkommen, umso kleiner sind die Familien“, sagte der Weltbankchef.