"Gefangene Taliban-Kämpfer nach Völkerrecht behandeln“

EKD-Auslandsbischof schreibt an amerikanische Partnerkirchen

06. Februar 2002

Der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Rolf Koppe, dringt darauf, dass die auf Kuba inhaftierten Taliban- und Al-Kaida-Kämpfer nach dem humanitären Völkerrecht behandelt werden. "Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass den Gefangenen nicht die Rechte der Genfer Abkommen von 1949 zugebilligt werden", betonte Koppe in einem Schreiben an die amerikanischen Partnerkirchen der EKD. Nach dem 3. Genfer Abkommen seien Gefangene, die an Kampfhandlungen beteiligt waren, im Zweifelsfall zunächst als Kriegsgefangene zu betrachten, solange ihr Status nicht durch ein zuständiges Gericht geklärt worden sei. Er unterstütze daher die von UN-Kommissarin Mary Robinson sowie von Außenminister Joschka Fischer erhobene Forderung, dass die auf Guantanamo inhaftierten Personen wenigstens provisorisch den Status von Kriegsgefangenen genießen sollen. Der Auslandsbischof der EKD forderte die Partnerkirchen auf, "unsere Besorgnis darüber zu teilen, dass die Maßstäbe rechtsstaatlicher Verfahren ins Wanken geraten könnten."

Sollte strafrechtlich gegen die Gefangenen vorgegangen werden, müsse dies in Einklang mit nationalem und internationalem Recht geschehen, forderte Koppe weiter. Insbesondere müssten dafür konkrete Tatvorwürfe formuliert werden; außerdem sei das Recht der Beschuldigten auf anwaltlichen Beistand zu beachten. "Mich beunruhigt die Aussicht, dass die Gefangenen womöglich gerichtlichen Verfahren unterzogen werden, die rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht gerecht werden", erklärte der Auslandsbischof. Die Verurteilung von Terroristen durch Militärtribunale, wie sie der Präsident der USA in Aussicht gestellt habe, verletze das Recht auf ein faires, öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen Gericht. "Dies ist um so bedenklicher, als den Beschuldigten die Todesstrafe droht."

Koppe warnte, die derzeitige Behandlung der Gefangenen könnte "Stimmen laut werden lassen, die behaupten, die Verteidigung rechtsstaatlicher Werte sei nicht das eigentliche Ziel der Terrorismusbekämpfung." Die große Solidarität in der Zielsetzung, dem Terrorismus entgegen zu treten, müsse jedoch erhalten bleiben.

Hannover, 6. Februar 2002
Pressestelle der EKD