Stellungnahme zu der von der Kongregation für die Glaubenslehre der römisch-katholischen Kirche veröffentlichen Erklärung "Dominus Iesus"

EKD-Ratsvorsitzender, Präses Manfred Kock

05. September 2000

Die Zeichen aus Rom stehen auf Stillstand. Mehr noch: Sie bedeuten die Verfestigung des traditionellen Selbstverständnisses der römisch-katholischen Kirche und einen Rückschlag für das ökumenische Miteinander in versöhnter Verschiedenheit.

Die heute in Rom - zwei Tage nach der Seligsprechung von Pius IX. - vorgestellte Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre enthält zahlreiche Aussagen, denen auch Kirchen der Reformation gern und mit Nachdruck zustimmen können. Das gilt insbesondere für diejenigen Passagen, die "über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi" handeln. Sie berühren sich in der Sache eng mit der christologischen Konzentration und Orientierung, wie sie etwa die Barmer Theologische Erklärung der evangelischen Kirche vorgenommen hat: "Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben." Diese christologische Konzentration und Orientierung ist heute gerade auch im Dialog mit anderen Religionen durchzuhalten und zu bewähren.

In den Passagen zur "Einzigkeit und Einheit der Kirche" werden jedoch Jesus Christus und die römisch-katholische Kirche, "die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird", so nah aneinander gerückt, dass die Aussagen für die anderen Kirchen, insbesondere für die Kirchen der Reformation, nicht akzeptabel sind. Die Kirchen der Reformation stehen für die Erklärung gewissermaßen auf der untersten Stufe der kirchlichen Rangordnung. Als "kirchliche Gemeinschaften ..., die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben", sind sie - wie ausdrücklich gesagt wird - "nicht Kirchen im eigentlichen Sinn". Mit einer Deutlichkeit, die für Zweifel keinen Raum lässt, wird hier dem Prinzip eines Umgangs par cum pari, also von gleich zu gleich, eine Absage erteilt.

Die Erklärung kommt, was den Inhalt angeht, nicht überraschend. Dass die römisch-katholische Lehre von der Kirche, weit über alle Differenzen in anderen Fragen hinaus, das größte Hindernis für die Vertiefung der Gemeinschaft mit den Kirchen der Reformation bildet, konnte keinem Kundigen verborgen sein. Nach reformatorischer Überzeugung können auch Konzilien irren. In der römisch-katholischen Kirche ist hingegen die Authentizität und Irrtumslosigkeit des kirchlichen Lehramts selbst Gegenstand des Glaubens. Darum wäre es unangemessen und illusionär, vom römisch-katholischem Lehramt eine schlichte Abkehr von bisherigen Aussagen zu erwarten. Nur in langfristig angelegten Prozessen der Neuinterpretation und Neuformulierung kann eine Verminderung - und am Ende Überwindung - der trennenden Differenzen im Kirchenverständnis erwartet werden. Gerade deshalb haben manche von uns in Aussagen des II. Vaticanum verheißungsvolle neue Ansätze erblickt und sich in dieser Wahrnehmung von römisch-katholischen Stimmen bestätigt gefunden. Die Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre lässt für solche Hoffnungen, jedenfalls derzeit, kaum noch Raum.

In der Note über den Ausdruck "Schwesterkirchen", die die Kongregation für die Glaubenslehre schon vor der Sommerpause an die Bischofskonferenzen versandt hat, wird sogar der Sprachgebrauch bis ins Detail geregelt: "Um Missverständnisse zu klären und theologischer Verwirrung vorzukommen, ist folglich die Verwendung von Formulierungen wie unsere beiden Kirchen zu vermeiden". Das wird dort im Blick auf das Verhältnis von römisch-katholischer Kirche und orthodoxen Kirchen gesagt und gilt erst recht für "kirchliche Gemeinschaften" wie die Kirchen der Reformation. Wenn wir in Deutschland im Miteinander von evangelischer und katholischer Kirche den Ausdruck "unsere beiden Kirchen" wieder und wieder verwendet haben, so geschah dies durchaus im Bewusstsein der damit verbundenen Spannung zum lehramtlichen Selbstverständnis der römisch-katholischen Kirche, aber auch in der Überzeugung, dass das gelebte partnerschaftliche Miteinander der beiden Kirchen eine Wahrheit anzeigt, die der einengenden Sicht der gegenwärtigen römisch-katholischen Lehre voraus ist.

Die Zukunft der Kirche wird eine ökumenische sein. Das entspricht der Verheißung Jesu Christi, und es entspricht - in Deutschland ebenso wie an anderen Orten - den praktischen Notwendigkeiten von Zeugnis und Dienst der Kirche. Darin kann uns auch die Kongregation für die Glaubenslehre nicht irremachen. Die ökumenische Zukunft der Kirche bedeutet aber nicht die Auflösung und Nivellierung aller konfessionellen Profile, sondern die Überwindung ihres trennenden Charakters. Darum setzt sich die Evangelische Kirche in Deutschland - zusammen mit der Leuenberger Kirchengemeinschaft, dem Lutherischen Weltbund und insgesamt den Kirchen der Reformation - für ein ökumenisches Modell ein, das durch den Gedanken der Kirchengemeinschaft und das Prinzip der Einheit in versöhnter Verschiedenheit bestimmt ist.

Hannover, 05. September 2000
Pressestelle der EKD