Erklärung des Rates der EKD zum Krieg in Tschetschenien

28. Februar 2000

Im Krieg in Tschetschenien wird die Bevölkerung zwischen den kämpfenden Parteien zerrieben. Das russische Militär geht mit brutaler Gewalt vor. Die Lebensgrundlagen der Menschen werden zerstört. Eine Ende des Flüchtlingselendes ist nicht in Sicht. Internationalen Hilfsorganisationen wird der Zugang nach Tschetschenien unmöglich gemacht. Alten, Schwachen und Kindern kann nicht geholfen werden. Nachrichten über die Existenz von Massengräbern und Isolationslagern weisen auf massive systematische Menschenrechtsverletzungen hin. Der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, ist jedoch die Einreise nach Tschetschenien verweigert worden.

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) appelliert an die russische Regierung, auf die Stimmen der Soldatenmütter, Menschenrechtsgruppen und Journalisten in Russland zu hören, die, auch um der Zukunft Russlands willen, auf ein Ende des Mordens in Tschetschenien drängen. Er ruft dringend dazu auf, den kriegerischen Konflikt mit politischen Mitteln zu beenden und internationalen Beobachtermissionen den Zugang nach Tschetschenien zu ermöglichen, um die Menschenrechtslage aufzuklären.

Der Rat der EKD wiederholt seine dringende Bitte an die politischen Verantwortlichen in unserem Staat, alle Möglichkeiten auf internationaler Ebene auszuschöpfen, den Morden Einhalt zu gebieten. Der Einsatz militärischer Mittel durch Russland steht in keinem Verhältnis zu dem erklärten Ziel, Recht und Ordnung wiederherzustellen.

Der Rat der EKD appelliert an die Russische Orthodoxe Kirche, sich für eine politische Lösung des kriegerischen Konfliktes einzusetzen. Patriarch Alexej II hat sich gegenüber dem Ökumenischen Rat der Kirchen und der Konferenz Europäischer Kirchen öffentlich für die Schonung der Zivilbevölkerung und für eine gemeinsame Arbeit von Christen und Muslimen für ein friedliches Zusammenleben eingesetzt. In jüngster Zeit ist jedoch in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, dass die orthodoxe Kirche zu den schrecklichen Menschenrechtsverletzungen, die dem tschetschenischen Volk zugefügt werden, schweigt oder kritiklos der russischen Regierung in ihrem Vorgehen zustimmt.

Der Rat der EKD appelliert an die Russische Orthodoxe Kirche, sich weiter aktiv an den ökumenischen Hilfsmaßnahmen für alle Opfer der Gewalt in Tschetschenien zu beteiligen. Er bittet den Ökumenischen Rat der Kirchen und die Konferenz Europäischer Kirchen sowie die Ökumenischen Hilfswerke in ihrem Bemühen nicht nachzulassen, gemeinsam mit ihrer russisch-orthodoxen Mitgliedskirche sowohl die russische Regierung als auch die internationale Politik auf ihre Verantwortung für die Menschen in Tschetschenien hinzuweisen.

Hannover, den 28. Februar 2000
Pressestelle der EKD