Erklärung nach Gesprächen mit Kirchenleuten und Kommunalpolitikern aus Serbien

Bischöfe Koppe und Atanasije: "Humanitäre Hilfe vor dem Winter ist das Gebot der Stunde"

04. Oktober 1999

Auf Initiative der Serbisch-Orthodoxen Kirche - Diözese für Mitteleuropa und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) haben vom 1. bis 3. Oktober in der Evangelischen Akademie Loccum und im Serbisch-orthodoxen Kirchenzentrum des hl. Sava in Hannover Gespräche über die Lage Serbiens im heutigen Europa und über die Rolle der Kirche im Prozeß der Versöhnung und Stabilisierung der Situation auf dem Balkan stattgefunden. Unter der Leitung von Bischof Dr. Rolf Koppe, EKD, und dem Vikar Seiner Heiligkeit Patriarch Pavle von Serbien, Bischof Atanasije von Hvosno, haben Persönlichkeiten des öffentlichen und politischen Lebens und Vertreterinnen und Vertreter von Städten Serbiens ein Gespräch mit deutschen Fachleuten aus Kirche und Politik geführt.

Grundsätzlich wurde festgestellt, daß die Heiligkeit des Lebens in den Kriegen auf dem Boden des ehemaligen Jugoslawien in offensichtlicher und tragischer Weise entehrt wurde. Christen wissen und bezeugen, daß es kein Ziel auf der Erde gibt, das Zerstörung menschlicher Leben rechtfertigen kann oder für dessen Erreichen das Vernichten menschlichen Lebens zum Mittel werden darf.

Die Gesprächspartner waren sich darin einig, daß es hohe Zeit ist, den begonnenen Dialog in Serbien und Deutschland öffentlich zu führen und alle gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen daran zu beteiligen.

Es gilt insbesondere, die deutsche Öffentlichkeit auf die äußerst schwierige Situation in den serbischen Kommunen hinzuweisen, die sich im bevorstehenden Winter auf dramatische Weise zuspitzen wird. Humanitäre Hilfe über Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und Projektpartnerschaften von Städten in Serbien und Deutschland ist das Gebot der Stunde, wenn sich nicht - wie uns die Repräsentanten serbischer Kommunen eindrucksvoll schilderten - katastrophale Zustände entwickeln sollen. Wir appellieren daher besonders an die EU, Regierungen, Wirtschaft, Kommunen, Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und die gesamte Bevölkerung in koordinierter Weise auf die Versorgungsprobleme der Menschen in Serbien zu reagieren.

Die Teilnehmer waren sich darin einig, daß auch die Flüchtlingsströme in Serbien wahrgenommen werden müssen. Durch sie werden die Probleme zusätzlich verschärft.

Mittel und langfristig muß es darum gehen, den Balkan zu integrieren und ein demokratisches Serbien und Montenegro in die neue gesamteuropäische Politik einzubeziehen.

Die Teilnehmer waren sich darin einig, daß es notwendig ist, daß Serbien und Montenegro auf dem Wege zum Aufbau einer Gesellschaft geholfen wird, die demokratisch sein soll und voller Respekt für die Menschenrechte. Dabei werden die nationalen und religiösen Spannungen überwunden werden müssen, die zur Vernichtung von Menscheleben führen und sich ebenso gegen religiöse Heiligtümer und kulturelle Güter richten. Da wo auch heute noch im Kosovo und auf dem Metohija Zerstörung stattfindet, muß Schutz gewährleistet und der Geist des Verstehens und der Toleranz geweckt werden.

Wir erwarten, daß sich alle für Bewahrung und Schutz der religiösen Einrichtungen im Kosovo und auf dem Metohija engagieren und sich dafür einsetzen, daß das menschliche Leben und dessen Würde bewahrt werden und daß den Flüchtlingen sichere und friedliche Rückkehr in ihre Heimathäuser ermöglicht wird. Wir können die Toten nicht zurückbringen, aber die Lebenden müssen geschützt werden.

Die Teilnehmer drücken ihre Zufriedenheit über den Anfang des Dialogs aus und erwarten hoffnungsvoll, daß die Treffen dieser Art weitergeführt werden.

Hannover, den 4. Oktober 1999
Pressestelle der EKD