Kommuniqué der Deutsch-Koreanischen Kirchenkonsultation vom 7. bis 9. Mai 2001 in Seoul

Versöhnung und die Rolle der Kirche

15. Mai 2001

Zur 8. Deutsch-Koreanischen Kirchenkonsultation vom 7.-9. Mai 2001 zum Thema “Versöhnung und die Rolle der Kirche” trafen sich 21 Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedskirchen des Nationalen Kirchenrates von Korea (NCCK) und 12 Vertreterinnen und Vertreter aus Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), sowie ein Vertreter der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland und ein Vertreter der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (Tschechische Republik) im Christian Academy House in Seoul/Korea. Sie drückt die Verbundenheit im ökumenischen Geist aus und steht in der Tradition der seit 1965 durchgeführten bilateralen Konsultationen. Das gemeinsame Schicksal der Teilung und die Einwanderung von Koreanerinnen und Koreanern nach Deutschland sowie der Kampf für Demokratie und die Beachtung der Menschenrechte in Korea waren über Jahrzehnte die Triebfedern für die Konsultationen.

I. Versöhnung als Aufgabe

Die Ungleichzeitigkeit der Entwicklung in Deutschland (Wiedervereinigung 1990) und in Korea (weiterhin Teilung, aber Bestrebungen zur Vereinigung, besonders seit der ersten zivilen Regierung 1992) haben neue Aufgaben gestellt. Dabei wurde als dringendste Aufgabe für die vor uns liegende Zeit die Versöhnung erkannt: In beiden Ländern leiden wir unter den Folgen verfehlter Politik, die in schreckliche Kriege mündete (2. Weltkrieg 1939/45, Koreakrieg 1950/53). Deutschland hatte die Teilung als Folge des selbst verschuldeten und verlorenen Krieges erlebt. Korea hingegen wurde im Interesse der Weltmächte geteilt. Die Folge war ein grausamer Krieg. Koreaner kämpften gegen Koreaner und wurden zu Feinden.
Versöhnung mit den Opfern deutscher Unrechtstaten bis 1945 ist untrennbar mit der Friedens- und Verständigungspolitik Deutschlands im Verhältnis zu den früheren Kriegsgegnern verbunden gewesen. Nur durch diese Politik konnte schließlich die Einheit erreicht werden. In Korea steht die innerkoreanische Versöhnung als eine unabdingbare Voraussetzung für die ersehnte Einheit noch aus. Sie zu erreichen, ist nicht nur Aufgabe der Politik, sondern aller Menschen und auch der Kirchen.

Dazu rufen wir in Erinnerung, dass lange vor dem politischen Gipfeltreffen, nämlich schon 1981 auf der 4. Deutsch-Koreanischen Kirchenkonsultation in Seoul erstmalig über Versöhnung und Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel gesprochen wurde. In den folgenden Jahren gab es mehrere Begegnungen und Dialoge. Auch die Kirchen in Deutschland haben daran mitgewirkt und Begegnungen süd- und nordkoreanischer Kirchenvertreter in Deutschland ermöglicht (1989, 1997).

Seit der 7. Koreanisch-Deutschen Kirchenkonsultation 1993 in Bad Saarow hat sich in Nordkorea eine schwere Wirtschaftskrise entwickelt. An den vielfältigen Hilfsmaßnahmen für die Not leidenden Menschen sind auch die Kirchen in unseren beiden Ländern beteiligt. Sie folgen damit dem Gebot christlicher Nächstenliebe. Das hat die Beziehungen unserer Kirchen zu den Christen in Nordkorea gestärkt. Der nordkoreanische Christenbund (KCF) koordiniert mit großem Engagement kirchliche Hilfsmaßnahmen.

Die mit diesen Hilfsmaßnahmen gesammelten Erfahrungen zeigen, wie dringend notwendig es ist, die gesamten humanitären Hilfen fortzusetzen und zu verstärken. Ein etwaiges Risiko der Fehlleitung solcher Hilfen darf nicht dazu führen, dass man die leidenden Menschen ihrer bitteren Not überlässt.

II. Versöhnung und Wahrheit: Erinnern und Befreien

Versöhnung als Ausdruck der Heilung gestörter oder zerstörter menschlicher Beziehungen hat ihre Wurzel in der Versöhnung Gottes mit den Menschen. Ihr Ziel ist die Versöhnung der Menschen untereinander. Solche Versöhnung erfordert Erinnerung, auch wenn sie schmerzhaft ist. Sie konfrontiert uns mit eigener Schuld und mit der Schuld uns verbundener Menschen. Wir dürfen uns der Verantwortung nicht entziehen, die Wahrheit über die Vergangenheit ans Licht zu bringen und sie so auf gute Weise in die Zukunft wirken zu lassen.

Wer die Wahrheit unterdrückt und geschehenes Unrecht verharmlost oder leugnet, verlängert das Unglück. Deshalb fordern wir gemeinsam, dass die japanische Regierung das für den Geschichtsunterricht herausgegebene Lehrbuch in seinen verharmlosenden Aussagen über die Rolle Japans im 2. Weltkrieg revidiert.

Ein hervorragender Beitrag zur Versöhnung ist der Einsatz von Frauen aus Korea und anderen Nationen für die Wiederherstellung der Menschenwürde der von der japanischen Armee im 2. Weltkrieg als Zwangsprostituierte verschleppten Frauen aus Korea und den anderen betroffenen Ländern Asiens. Auch wir fordern volle Aufklärung und eindeutige Entschuldigung. Dabei weisen wir auf die Feststellungen des im Dez. 2000 in Tokio durchgeführten Kriegsverbrechertribunals hin.

III. Perspektiven für die Zukunft

Versöhnung und Vertrauen öffnen den Weg zum dauerhaften Frieden. Drohungen und Angst tragen dazu nicht bei; sie erhöhen die Gefahr. Deshalb fordern wir die Überwindung der Abschreckungspolitik und die Verhinderung eines neuen Wettrüstens, dem durch das geplante Raketenabwehrsystem der USA (MD) weitere Verschärfung droht.

Statt dessen sind Verhandlungen geboten, die Zusammenarbeit im gemeinsamen Interesse ermöglichen. Dieser Weg muss auch auf der koreanischen Halbinsel beschritten werden. Das liegt im Interesse aller Völker; ohne Frieden in Korea ist der dauerhafte Weltfrieden nicht sicher.

Wir begrüßen es, dass die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen zu Nordkorea aufgenommen hat. Andere Länder sollten diesem Beispiel folgen. Die hilfreichen Bemühungen der Europäischen Union um die koreanische Halbinsel müssen weitergehen. Nordkorea darf nicht der Isolation überlassen bleiben. Eine besondere Verantwortung tragen dafür die USA. Sie und Japan sollten geregelte Beziehungen zu Nordkorea aufnehmen.

Die Bemühungen gesellschaftlicher Gruppen und Institutionen werden ebenso gebraucht. Unsere Beziehungen zu den Christen Nordkoreas folgen dieser Einsicht. Wir wollen sie verstärken und alsbald auch mit nordkoreanischen Kirchenvertreterinnen und -vertretern unter Einschluß von Jugendlichen eine

gemeinsame Konsultation in Deutschland oder an anderem Ort durchführen. Dazu wird die Evangelische Kirche in Deutschland einladen.

IV. Der Versöhnung den Weg ebnen

Wir bitten die Regierungen in der Republik Korea und der Demokratischen Volksrepublik Korea, das im Juni 2000 in Pyöngyang vereinbarte weitere Gipfeltreffen in Seoul so schnell wie möglich durchzuführen und die Vereinbarungen für Versöhnung und Wiedervereinigung mit Leben zu füllen. Dazu gehört der Abschluss des längst fälligen Friedensvertrages.

Wir rufen die Kirchen und ihre Glieder in beiden Ländern auf, für Versöhnung, Frieden und Einheit zu beten und dafür umsichtig und geduldig zu arbeiten. Durch Rückschläge und Enttäuschungen dürfen sie sich dabei nicht entmutigen lassen. Versöhnung ist eine langfristige Aufgabe.

Wenn wir uns so anstrengen werden, können wir hoffen, dass unsere Arbeit gesegnet wird. Die Versöhnung ist Gottes Plan. Er hat bei sich schon „den Zaun abgebrochen, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft“ (Brief an die Epheser 2, 14).

Dr. Jürgen Schmude
Präses der Synode der Evangelischen Kirche
in Deutschland 

Rev. Kim Kyung Shik
Präsident des Nationalen Kirchenrates
von Korea

Hannover, 15. Mai 2001
Pressestelle der EKD

Hinweis: Nachfolgend finden Sie die Namen der deutschen Delegationsmitglieder:


Präses Dr. Jürgen Schmude
Delegationsleiter
 
Bischof Dr. h.c. Rolf Koppe
Kirchenamt der EKD
Leiter der HA III 

OKR Harld Bewersdorff
 Ev. Kirche im Rheinland

OLKR Reinhard Kersten
Ev.-Luth. Kirchenamt Sachsens

Direktor Herbert Meißner
Ev. Missionswerk in Deutschland

Pröpstin Helga Trösken 
Ev. Propstei Rhein-Main

Pfarrer Carsten Rostalsky

MUDr. Zdenek Susa
Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder
Tschechische Republik

Diakon Lutz Drescher 
 
Pfarrer Hans-Ulrich Stein
Evangelisch-Methodistische Kirche

Pfarrerin Bärbel Rosenstock

Pfarrer Dong Wook Kim 
Vorsitzender des Koreanischen Gesamtverbandes 

Pfarrer Wolfgang Vogelmann 
Amt des Ökumenebeauftragten der NEK

Oberkirchenrat Johannes Achilles
Kirchenamt der EKD
Referent für Asien