Engelhardt: Ökumenische Fortschritte erfordern Geduld

Ratsvorsitzender betont Bildung als Standortvorteil der Gesellschaft

23. Mai 1997 (1. Tagung der 9. Synode der EKD)

Gelassenheit und Geduld im Streben nach Fortschritten in der ökumenischen Bewegung hat der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Dr. Klaus Engelhardt angemahnt. Vor der in Friedrichroda tagenden EKD-Synode betonte Engelhardt, es gebe einen großen gemeinsamen Reichtum der Kirchen, "aus dem wir für das Leben der Gemeinde vor Ort Anstöße erhalten". Das Evangelium so zu bezeugen, "daß die Welt aufhorcht" - das schaffe keine Kirche allein, sagte der Ratsvorsitzende.

Beim Zueinanderfinden der Kirchen gehe es nicht um die Vergrößerung der kirchlichen Basis, "sondern um Jesus Christus, damit er vor der Welt als Heiland und Retter erkannt wird." Ökumene sei Lebensvollzug im Gemeindealltag, betonte Engelhardt, und beklagte zugleich, daß Fortschritte in der ökumenischen Praxis in den Gemeinden vor Ort "oft bescheiden" bleiben. "Ich wünsche mir, daß von den großen ökumenischen Versammlungen für den Alltag in unseren Kirchen mehr Impulse ausgehen", betonte der Landesbischof.

Im Blick auf die "2. Europäische Ökumenische Versammlung" im Juni in Graz stehe für die deutschen Kirchen die Mitwirkung am Versöhnunsprozeß zwischen Tschechen und Deutschen sowie Polen und Deutschen im Vordergrund, so Engelhardt. Wichtig sei auch der Blick auf den Balkan. Nationalitätenkonflikte und unterschiedliche religiöse Traditionen seien für die politischen Konflikte mitverantwortlich. Die Kirchen müßten ihren Beitrag "zu einem versöhnenden, neuen Aufbruch" leisten.

Engelhardt betonte ferner die bildungspolitische Verantwortung von Gesellschaft und Kirche. Schon für den Reformator Philipp Melanchthon, dessen 500. Geburtstag die evangelische Kirche in diesem Jahr gedenkt, sei Bildung "immer auch ein Standortvorteil für die gesamte Gesellschaft" gewesen. Wenn Gesellschaft und Kirchen zu drastisch an Bildungsmöglichkeiten für den einzelnen sparen, verlieren sie auch als Ganzes an Bedeutung, warnte der Ratsvorsitzende. "Bildung ist eine Ressource, die bei allen derzeitigen Sparzwängen um unserer Gesellschaft willen nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf."

Friedrichroda, 23. Mai 1997
Pressestelle der EKD