EKD-Ratsvorsitzender für Annahme der Erklärung zur Rechtfertigungslehre

Grundüberzeugung der Reformation evangelisch-katholisch aussprechen

2. November 1997 (2. Tagung der 9. Synode der EKD)

Mit der Lehre von der Rechtfertigung steht und fällt die evangelische Kirche. Das betonte der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Dr. Klaus Engelhardt, in seinem Bericht zu Beginn der EKD-Synode. Zugleich sprach er sich dafür aus, "den Schritt der Gemeinsamen Erklärung" zur Rechtfertigungslehre zwischen der römisch-katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund jetzt zu gehen. Dabei müsse der Hinweis auf noch offene Fragen, unterschiedliche Beurteilungen und weitere Klärungen von Rom her angefügt werden, ein Ja mit der Forderung nach Weiterarbeit verbunden werden. Weitere schwerwiegende Kontroversen, wie die Frage nach der Bedeutung des kirchlichen Amtes, seien anzugehen.

Die Rechtfertigungslehre hatte für die Reformation des 16. Jahrhunderts zentrale Bedeutung und führte letztlich zur Trennung von Protestanten und Katholiken. Sie besagt, daß Menschen nicht wegen irgendeines eigenen Verdienstes, sondern allein aus Gnade aufgrund ihres Glaubens an Jesus Christus angenommen und gerecht gesprochen werden können. Engelhardt bekräftigte vor den Mitgliedern der Synode, des Rates und der Kirchenkonferenz die Grundaussage der Gemeinsamen Erklärung: Die Botschaft von der Rechtfertigung sage uns, "daß wir Sünder unser neues Leben allein der vergebenden und neuschaffenden Barmherzigkeit Gottes verdanken, die wir uns nur schenken lassen, im Glauben empfangen, aber nie - in welcher Form auch immer - verdienen können". Die Chance, diese Grundüberzeugung der Reformation heute gemeinsam, evangelisch-katholisch, aussprechen zu können, dürfe nicht verschenkt werden, appellierte der Ratsvorsitzende.

In der evangelischen Theologie war es in jüngster Zeit zu Auseinandersetzungen darüber gekommen, ob die Gemeinsame Erklärung in ihrer jetzt den LWB-Mitgliedskirchen vorliegenden endgültigen Fassung angenommen werden sollte. Ursache waren gemeinsam vom Lutherischen Weltbund und vom Vatikan vorgenommene Textänderungen in der letzten Phase der Erarbeitung der Erklärung. Danach ist die Rechtfertigungslehre "ein unverzichtbares Kriterium". Katholiken müßten sich "von mehreren Kriterien in die Pflicht genommen sehen". Die katholische Kirche habe ausdrücklich bekräftigt, daß die Rechtfertigungslehre den anderen Kriterien deutlich vorgeordnet sei, begründete Landesbischof Engelhardt seine Zustimmung.

Der Ratsvorsitzende beklagte, die evangelische Kirche lebe ökumenisch "unter ihrem Niveau". Die Intensität der ökumenischen Beziehungen sei zwar nicht zu bestreiten. "Aber ich frage, warum uns der Schmerz über die zertrennte Christenheit nicht mehr zu schaffen macht." Die eigene konfessionelle Identität werde zum Maßstab für das Urteil über andere Konfessionen und Kirchen. Neben konfessionellem Profil brauchten Christen "jene innere Freiheit, in der wir uns über Konfessionsgrenzen hinweg ermutigen, nach der Wahrheit Jesu Christi bei den anderen Kirchen zu suchen".

Wetzlar, 2. November 1997
Pressestelle der EKD