Grusswort anläßlich des Leitungswechsels in der Brüsseler Dienststelle

EKD-Ratsvorsitzender, Präses Manfred Kock

29. November 2000

Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren, liebe Gäste,

ein volles Haus, gutgelaunte Gäste, eine gediegene musikalische Eröffnung - dies alles sind gute Voraussetzungen für einen angenehmen Abend mit interessanten Begegnungen und guten Gesprächen. Auch ich begrüße Sie sehr herzlich im Namen des Rates der EKD und freue mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, heute hier bei uns zu sein.

Dieses Haus am Boulevard Charlemagne ist ja nicht nur die "Brüsseler Botschaft" der Evangelischen Kirche in Deutschland. Hier wird nicht ausschließlich Politik und Juristerei betrieben. Vielmehr verstehen sich die Menschen, die hier arbeiten, als lebendige Glieder ihrer Kirche. Sie sind Vorposten des Evangeliums in einem säkularen Europa und damit Botschafterinnen und Botschafter des christlichen Glaubens. Sie sind zugleich auch Botschafter des deutschen Protestantismus bei der Konferenz Europäischer Kirchen. Sie leben in geschwisterlicher Nähe zu den Vertretern anderer Europäischer Kirchen, die eine reiche Vielfalt von Konfessionen repräsentieren: Calvinisten und Lutheraner, Anglikaner und Bapitsten, Katholiken und Orthodoxe.

Der weltweite Horizont der Ökumene und zugleich die geschwisterliche Nähe prägen den Umgang mit den kirchlichen Partnerinnen und Partnern der Ev. Kirche in Deutschland. Die Themen und Fragenhorizonte, über die man hier miteinander im Gespräch ist, zeigen, dass das "geistig-religiöse Erbe" des Protestantismus kein museales Relikt aus Europas Vergangenheit ist. Sie sind Indizien dafür, dass die Evangelische Kirche auf der Höhe der Zeit ist und sehr lebendig an der Gestaltung der europäischen Zukunft mitwirkt. Darum bin ich auch ein wenig stolz darauf, dass wir seit 10 Jahren mit unserem Brüsseler Büro mehr bieten, als einen Verwaltungsstützpunkt. Mit dieser Adresse verbinden ja bereits viele einen ökumenischen Treffpunkt, der die Idee eines geeinten Europa um jenen esprit de la foi bereichert, der Vielfalt aus einer Wurzel wachsen läßt.

Einen gemeinsamen Schatz haben Katholiken und Protestanten mit der van Maerlant'schen Auferstehungs-Kapelle. Sie wird von uns verstanden als ein Symbol für die Präsenz des Glaubens am Ort der Politik, und sie ist als Stätte der Besinnung auf das Wort Gottes ein Zeichen des Friedens.

Nach unserer heutigen Begegung mit Kommissionspräsident Prodi, bei der wir Gelegenheit hatten, unseren Beitrag zum Zusammenwachsen Europas darzustellen und von ihm hören konnten, welche Erwartungen und Hoffnungen die Kommission gegenüber den Kirchen hegt, haben wir nun die große Freude, uns in dieser Runde bei der langjährigen Vertreterin der EKD am Sitz der Europäischen Kommission, Frau Heidrun Tempel für Ihre langjährige Arbeit zu bedanken und Ihnen zugleich ihre Nachfolgerin, Frau Sabine von Zanthier vorzustellen.

Sie, liebe Frau Tempel, haben die Brüsseler Geschäftstelle von 1992 bis zum Frühjahr diesen Jahres geleitet und die europäischen Anliegen der EKD und ihrer Gliedkirchen mit großem diplomatischem Geschick gegenüber der Kommission und dem Europaparlament vertreten. Den Beitrag des traditionell vielstimmigen evangelischen Orchesters zum europäischen Konzert zu vermitteln, ist ja bekanntlich nicht ganz einfach, weil es manchmal so aussieht, als bestünde das evangelische Ensemble vorwiegend aus Solisten. Sie haben darum zu Recht immer wieder zu mehr Geschlossenheit gemahnt. Mit der Ihnen eigenen Mischung aus Präzision und Leidenschaft haben Sie uns, den Verantwortliche in der EKD, die komplexen Zusammenhänge des europäischen Einigungsprozesses verständlich gemacht. Das Thema Europa blieb nicht zuletzt dadurch, wie Sie es eingebracht haben, auf jeder Tagesordnung der EKD immer eine spannende Sache. Sie haben manchen kirchlichen Euroskeptiker nicht nur eines Besseren belehrt, sondern zu mehr Hoffnung für Europa bekehrt. Dafür, dass Sie uns nicht nur mit der transparenten Darstellung komplexer Zusammenhänge, sondern auch mit mancher Warnung und Mahnung zur Seite gestanden haben, unseren ganz herzlichen Dank! Ich hoffe, Sie können manche von den gemachten Erfahrungen in Ihr neues Amt einbringen und dort auch Verständnis wecken für die Interessen der Kirche um des europäischen Ganzen willen.

Ihnen, liebe Frau von Zanthier, wünsche ich einen guten Start in dieses interessante und spannende Aufgabenfeld. Man kann die dafür nötigen Energien bei sich selber wohl nur mobilisieren, wenn man die Sache Europas mit Lust und Leidenschaft betreibt. Europa, das ist nichts für ängstliche Bürokraten, sondern eine Faszination. Sie haben Wagemut und langen Atem und vor allem teilen Sie mit vielen Ihrer Kolleginnen und Kollegen in der EKD die Vision vom Gelingen des europäischen Integrationsprozesses. Brüssel und die Europäischen Institutionen sind Ihnen nicht fremd. Sie bringen aus Ihren bisherigen Tätigkeiten für das Bundesland Niedersachsen gute Erfahrungen mit.

Auch dieses Haus ist bei Ihnen eine lange bekannte Adresse. Sie haben hier schon oft an Gesprächen und Begegungen teilgenommen oder selber zu ihren früheren Fachgebieten referiert. So sind Sie nicht wirklich fremd in Ihrer neuen Aufgabe, vielmehr sind Sie bei der Sache "Europa" geblieben und haben mit dem Arbeitgeber lediglich manche Perspektive gewechselt. Darum also: Herzlich willkommen - zu Hause in Europa!

Spirituelle Begegnung im Europäischen Haus kann man nicht einfach nur behaupten. Man muß sie leben in der Praxis des Glaubens. So möchte ich Ihnen beiden die guten Wünsche des Rates und den Segen Gottes zusprechen mit einem biblischen Wort und einem Gebet zum heutigen Tage aus der ökumenischen Tradition:

Im 1. Mosebuch im Kapitel 26 spricht Gott: "Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir und will dich segnen." (1. Mose 26,24) Und im 2. Korintherbrief schreibt der Apostel Europas, Paulus: "Freut euch, laßt euch zurechbringen, laßt euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein." (2. Kor 13,11) [= Losung und Lehrtext der Herrnhuter Losung für den 29.11.2000 ]

Hannover / Brüssel, 29. November 2000
Pressestelle der EKD