Ein sensibles Modell

In Mosbach leben Kriegsflüchtlinge zusammen mit Behinderten auf dem Gelände der Johannes-Diakonie

26. November 2014

Mann und Frau umarmen sich

Farhan Naqshbandi ist Mitte 30 und IT-Techniker. Er stammt aus dem gleichen Tal wie die Friedensnobelpreisträgerin und Kinderrechtlerin Malala Yousafzai. Seit er in seiner Heimat Pakistan einen Artikel über die junge Frau veröffentlicht hatte, steht auch er auf der Todesliste der Taliban und musste fliehen. Jetzt wohnt Naqshbandi bei der Johannes-Diakonie in Mosbach - zusammen mit 39 Flüchtlingen aus Syrien und Pakistan quasi Haus an Haus mit geistig behinderten Menschen.

Naqshbandi, der auch Politiker in der Pakistanischen Volkspartei (PPP) und publizistisch tätig war, hat keine Berührungsängste. Er ist Moslem und gehört der Mystikerrichtung des Islams, den Sufis, an. Seit er in Mosbach (Neckar-Odenwald-Kreis) ist, wirkt er gelegentlich auch bei Gottesdiensten mit. Und er ist froh, in Mosbach vorübergehend eine Unterkunft bekommen zu haben.

"Am Anfang waren erst mal Angst, Skepsis und Bedenken da, ob und wie das Miteinander von Flüchtlingen und Menschen mit Behinderungen überhaupt klappen wird", sagt der evangelische Pfarrer Richard Lallathin. "Es funktioniert wunderbar", sagt Michael Walter von der Johannes-Diakonie gut zwei Monate nach dem Einzug der 40 Männer ins "Haus am Wald".

Ob das laut Lallathin "sensible Modell" bundesweit einmalig ist, kann der Flüchtlingsexperte beim Bundesverband der Diakonie in Berlin, Sebastian Ludwig, auf epd-Anfrage nicht sagen. Pfarrer Lallathin weiß lediglich von einem Kollegen aus der Diakonie im niedersächsischen Himmelsthür, dass man dort ähnliche Unterbringungsmöglichkeiten überlegt.

Der Neckar-Odenwald-Kreis hatte im Juli auf die steigende Zuweisung von Flüchtlingen reagiert und als Ergänzung zur Gemeinschaftsunterkunft in Hardheim auf dem Gelände der Johannes-Diakonie Mosbach das damals leerstehende Gebäude für fünf Jahre angemietet. Das "Haus am Wald" diente bis November 2013 als Wohnstätte für Menschen mit Behinderung, die ins neue "Haus am Limes" der Johannes-Diakonie nach Walldürn umgezogen waren.

Auch der Landkreis war froh und dankbar, im "Haus im Wald" ein Domizil für Flüchtlinge bekommen zu haben. "Bei dem anhaltenden Zustrom können wir nicht alle Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft in Hardheim unterbringen", sagt Martin Wuttke, Erster Landesbeamter im Landratsamt in Mosbach.

Pfarrer Lallathin ist auch Sprecher eines ehrenamtlichen Arbeitskreises Asyl in Mosbach. Rund 80 Menschen aus der Umgebung haben sich hier zusammengeschlossen und bieten Hilfe an, wo nötig. So gibt es etwa drei Frauen, die mehrmals in der Woche Sprachförderung anbieten, und eine Sportgruppe.

Andere wiederum begleiten die Männer aus Syrien und Pakistan und helfen mit, bürokratische Hürden zu überwinden, solange deren Asylverfahren bearbeitet wird. Geplant sind vor allem Begegnungen, gemeinsame Feste und Informations-Veranstaltungen zur Situation der Flüchtlinge. Aber auch sogenannte Ein-Euro-fünf-Jobs sollen entstehen, etwa als Begleitung von Menschen mit Behinderungen.

Der badische evangelische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh zeigte sich bei einem Besuch "beeindruckt, welch ein Miteinander hier zustande gekommen ist" und lobt die Hilfsbereitschaft der Menschen aus Mosbach und Umgebung: "Hier kommen Menschen zusammen, die sonst nicht zusammen kommen würden, hier wirken staatliche und kirchliche Stellen sowie Ehrenamtliche zusammen."

Jeden Donnerstag treffen sich die Menschen mit Behinderungen, Asylbewerber und Interessierte aus der Umgebung am frühen Abend in der "Cafeteria Hühnerstall" auf dem Gelände der Johannes-Diakonie und kommen ins Gespräch. Dann kochen die Syrer und Pakistani auch traditionelle Speisen aus ihren Heimatländern und bewirten so rund 20 Cafeteria-Besucher. "Und manchmal fragen unsere behinderten Bewohner auch bei den Flüchtlingen nach, ob sie dort einen Kaffee haben können", sagt Lallathin. (epd)