Aufstand für Gerechtigkeit

Deutscher Pfarrer schildert Situation in Kiew

13. Dezember 2013

Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Katharina in Kiew.

Seit Wochen sorgen Massenproteste in der Ukraine für weltweites Aufsehen. Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Katharina in Kiew fand sich urplötzlich mitten in diesem Aufstand wieder und ebenso zwischen den Fronten. Pfarrer Ralf Haska schildert die Situation:

„Es begann mit Demonstrationen für ein Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der Europäischen Union, das der Präsident und die Regierung nach jahrelangen Verhandlungen und positiven Signalen plötzlich scheitern ließen. Inzwischen wurde aus den Protesten ein Aufstand gegen Korruption und Ungerechtigkeit. Die Macht in Kiew wusste sich nicht mehr zu helfen. Also setzte sie Gewalt ein gegen die friedlich Demonstrierenden. Doch das Volk der Ukraine ist ein stolzes Volk, ein Volk, das nicht auf die Knie geht, ein Volk, das aufsteht, ein Volk das nicht mehr als Sklaven leben will. So skandieren sie es von der Bühne auf dem Maidan, dem Platz des Aufstandes.

Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Katharina fand sich urplötzlich mitten in diesem Aufstand wieder und ebenso zwischen den Fronten. Vor der Tür der Kirche und zwischen Kirche und Präsidentenpalast bauten die Demonstrierenden Barrikaden, richteten eine Zeltstadt ein und verkündeten ihre Forderungen immer wieder durch Lautsprecher. Der Präsident und die Regierung haben sie nicht gehört.

Am vergangenen Montag wurden Spezialeinsatzkräfte geschickt, um das Lager zu räumen. Die Gewalt drohte zu eskalieren. Mit Besonnenheit ließen sich die Demonstrierenden zurückdrängen. Gott sei Dank mussten nur wenige Verletzte in der Kirche behandelt werden. Wir als Gemeinde rufen immer wieder zur Mäßigung auf. Niemand hat das Recht Gewalt gegen den Frieden einzusetzen, so erklingt es immer wieder in St. Katharina. Verschiedene Konfessionen kamen zusammen zum Ökumenischen Friedensgebet.

Wir tun als Christen das, wozu wir gerufen sind: Wir rufen zur Verständigung, zum Frieden. Wir suchen nach Wegen, diesem Frieden zum Durchbruch zu verhelfen, wohl wissend, dass das Gottes Werk ist. Wir bieten Menschen beider Seiten einen friedlichen Platz inmitten der Auseinandersetzungen auf der Straße. Ein warmes Getränk, ein warmes Mittagessen, Zeit zum Aufladen des Handys, Zeit zum Aufwärmen des Körpers, Zeit zum Gebet, Zeit, um zur Besinnung zu kommen.

Nur wenige Male trafen wirklich Demonstrierende und Angehörige der Miliz in der Kirche aufeinander. Doch man spürte, hier sitzen keine Feinde zusammen. Hier sitzen Menschen, die eigentlich ein Wunsch eint: eine Gesellschaft aufzubauen, die gerecht und nicht korrupt ist und in der rechtsstaatliche Prinzipien gelten. Von beiden Seiten erfahren wir Dank dafür, dass St. Katharina ihre Türen offen hat. Doch wir sagen: Gott sei Dank. Gott sei Dank, dass wir bisher keine Toten zu beklagen hatten. Gott sei Dank, dass wir als Gemeinde erkennen: Da steht in einem jeden Menschen, der kommt und in unterschiedlicher Weise Hilfe benötigt, immer wieder Christus vor der Tür. Und viele, viele fleißige Helfer öffnen ihm die Türen. Gott sei Dank dafür!“