Die Berliner Stadtmission macht Mode

Eigenes Modelabel entwickelt

30. September 2013

Schneiderin der Berliner Stadtmission

Nach der Verarbeitung soll man noch sehen können, was es vorher war, findet Luise Barsch. "Die Sachen haben ja eine Geschichte", sagt sie. Die junge Designerin entwirft seit kurzem Modeaccessoires für die Berliner Stadtmission, genauer: für deren neues Modelabel "Water to Wine". Material gibt es dort genug.

200 Tonnen alter Kleidung spenden die Berliner jedes Jahr der Stadtmission, sagt Jost Berchner, Leiter der stadtmissionseigenen "Komm-Und-Sieh" gemeinnützigen GmbH. In der Lehrter Straße werden die Sachen sortiert und für die einzelnen sozialen Projekte vorbereitet. Was für die Projekte nicht geeignet ist, wird in den "Komm-Und-Sieh"-Secondhand-Läden verkauft. Der Rest wird an die Deutsche Kleiderstiftung Spangenberg gegeben, die verschiedene soziale Projekte beliefert, wie Notkleiderspenden, "Brot für die Welt" oder die Katastrophenhilfe. "Was könnte man sonst noch Gutes tun mit der Kleidung?", fragte sich Berchner und kam auf die Idee: Warum nicht aus alten Sachen neue machen?

Die Idee hatten schon andere vor ihm: Seit ein paar Jahren heißt das Verfahren "Upcycling". Dabei verwenden Designer alte Kleidung und Stoffe als Grundlage für neue Entwürfe. "Das 'Upcycling' möchte Produkte mit Mehrwert schaffen, aus Materialien, die eigentlich Abfall sind. Das hat auch einen ökologischen Hintergrund", erklärt Luise Barsch.

Im November 2012 fand Berchner an einer Fachhochschule für Modedesign die Studentin Sarah Schwesig, die demnächst den ersten Designerladen der Stadtmission führen wird, der, wie das neue Label, "Water to Wine" heißen soll. Schwesig kam mit Luise Barsch und deren Kollegin Arianna Nicoletti in Kontakt, die den ersten "Upcycling-Fashion Store" in Berlin betreiben.

"Wir sind spezialisiert darauf, aus alten Sachen hochwertige Produkte zu entwickeln", sagt Barsch. "Das ist ein total interessantes Material". Weil viele Designer gern mit "Upcycling" arbeiten wollen, aber an der Materialbeschaffung scheitern, haben Barsch und Nicoletti mit der Stadtmission vereinbart, das sie alte Kleider an die Designer verkauft. Nicoletti wirft seitdem in der Sortierstelle ein selektives Auge auf die Kleider-Schatzkammer, um passende Stücke herauszufischen. Eine Modenschau auf dem Sommerfest der Stadtmission im August hat Ergebnisse aus dieser Arbeit gezeigt.

Am 18. Oktober soll dann der achte Secondhand-Laden der "Komm-Und-Sieh"-Kette eröffnet werden. Allerdings als Designerladen mit eigenem Label, der in der Auguststraße in Berlin-Mitte eröffnet wird. Der Schwerpunkt soll auf Accessoires und Vintage liegen, das ist Secondhand-Kleidung aus den 60er und 70er Jahren. Für die eigene Modeline "Water to Wine" entwickelt Barsch gerade eine Kollektion von Taschen, Schürzen, Schlüsselanhängern, Tüchern und vielen weitere Accessoires. Kleidung soll später dazu kommen. Genäht werden die Sachen von zwei Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, den Nordberliner Werkstätten (NBW) und der Faktura in Berlin.

"Alle Gelder, die der Laden einnimmt, fließen in die Stadtmission. Darum geht es ja", erzählt Barsch. Deswegen hat die Designerin praktisch gedacht: "Ich mache keine illusorischen Entwürfe. Die Sachen sollen ja zur Stadtmission passen". Kein Haute Couture, nichts extravagantes, nichts besonders hippes, sondern Sachen, die sich verkaufen lassen, an Menschen von jung bis älter. Im "Upcycling" ist jedes Stück ein Unikat und es wird lokal produziert. Das ist nicht so günstig, als würde es auch China importiert. Aber teuer soll es auch nicht sein, sagt Berchner. Jeder soll es sich leisten können und "mit relativ wenig Aufwand sein Gewissen reinhalten" können.

"Wenn sich das etabliert und wir die Produktlinie erweitern, kann man das auch in anderen Läden verkaufen. Das hat ja Potenzial", erklärt Barsch. "Für viele Leute, die etwas Nachhaltiges kaufen möchten, ist das greifbarer als zum Beispiel Biobaumwolle. Viele Leute kennen das, die haben früher selbst die Sachen vom Vati umgenäht." (epd)