Evangelische Kirche unterstützt syrische Flüchtlinge im Lager Friedland

Neben Seelsorge wird auch praktische Hilfe für die Flüchtlinge angeboten

19. September 2013

Pfarrer Martin Steinberg im Durchgangslager Friedland

Martin Steinberg telefoniert ununterbrochen. "Ich muss gerade noch was klären", sagt er und tippt auf seinem Handy herum. Steinberg ist evangelischer Lagerpfarrer im Durchgangslager Friedland, offiziell mit einer halben Stelle. Doch seine Energie ist unerschöpflich, der Pfarrer bleibt jeden Tag so lange, "bis die Arbeit getan ist". Im "Evangelischen Lagerpfarramt" checkt er morgens zuerst die E-Mails: "Wir sind eine reiche Gemeinde in Hannover und würden gern den syrischen Flüchtlingen helfen", liest er vor. Fünf solcher Mails erreichen ihn pro Tag.

Am Mittwoch vergangener Woche sind in Friedland gut 100 Syrer angekommen. Es sind die ersten von rund 5.000 Flüchtlingen aus dem Bürgerkriegsstaat, die Deutschland im Rahmen eines UN-Programms aufnimmt.

Steinberg ist im Auftrag der Landeskirche hier, führt Besucher durchs Lager und kümmert sich um einzelne Flüchtlinge. Zum Beispiel um Samir Alu, einen 28-jährigen Syrer, der sich entschlossen hatte zu kämpfen: "Ich habe gedacht, ich muss meinen Leuten helfen. Deshalb bin ich zu den Rebellen gegangen, gegen die Regierung." Doch ihm wurde die Lage zu gefährlich. "Es gab Bombardierungen, viele Leute sind gestorben", erzählt Samir. Er ist auf eigene Faust geflohen und froh, jetzt in Deutschland zu sein: "Hier bin ich zufrieden und sicher."

Außerdem bekommt der junge Mann aus Hasaka hier ganz unerwartet einen Wunsch erfüllt: Er wird getauft. Ein Teil seiner Familie bekennt sich zum Christentum und Samir will das auch. Nun ist die Gelegenheit da. Der Dolmetscher und Diakon Hacub Sahinian erteilt ihm christlichen Unterricht auf Arabisch. Samir freut sich auf seine Taufe bei Pfarrer Steinberg in der Lagerkapelle: "Dann werde ich ein richtiger evangelischer Mann!"

Neben Seelsorge bietet die evangelische Kirche auch praktische Hilfe für die Flüchtlinge an: Die Innere Mission ist mit 14 Festangestellten in Friedland aktiv, beteiligt sich an der Kleiderkammer und betreut die Flüchtlingskinder. An diesem Montag sind acht neue arabisch sprechende Kinder in die Betreuung gekommen - sie verstehen nicht, was die Erzieherinnen auf Deutsch in den Raum rufen. Irina Gerlitz und Gabriele Klossek versuchen, die Vier- bis Sechsjährigen auf Kindergarten und Schule vorzubereiten. Gerade haben sie bunte Pellets aus Maisstärke verteilt. "Nicht essen, Kinder, stopp, nicht essen!", ruft Irina Gerlitz aufgeregt. Erst als die Erzieherin vorzeigt, wie man die Röllchen anfeuchtet und auf Papier klebt, wird es leise im Raum. "Es ist anstrengend, aber es klappt", freut sich Gerlitz.

Martin Steinberg muss weiter. Gleich hat er einen Kurs: Der Pfarrer lehrt "Mobilität" in einem von fünf sogenannten "Wegweiserkursen" für die neuen Flüchtlinge. Die anderen Fächer sind Föderalismus, Behörden, Gesundheit und Bildungswesen. Pastor Steinberg wurde gefragt, ob die Kirche bei den Kursen mitmachen will und hat sofort zugesagt: "Das ermöglicht uns einen neutralen Einstieg ins Gespräch." Im Seminarraum erklärt Steinberg rund 20 Erwachsenen, wie man Zugfahrkarten kauft, wie man den Führerschein macht und wie man sich als Fußgänger verhält: "Wenn die Ampel grün wird, die Farbe des Propheten, können Sie über die Straße gehen." Die Flüchtlinge lachen.

Dann wundern sie sich über die Preise für Bahnfahrkarten in Deutschland. Steinberg weist auf Frühbucherrabatte hin und rät dringend: "Planen Sie ihre Reise!" Schon in zwei Wochen werden die Syrer das tun müssen - nach Köln, nach Gelnhausen, nach Borken, nach Essen. Die 5.000 Flüchtlinge aus dem UN-Programm werden in der ganzen Republik verteilt, dürfen ohne Asylverfahren hierbleiben und arbeiten. "Sie sind in ein friedliches Land gekommen", sagt Pastor Steinberg am Ende seines Kurses. "Wir brauchen Sie und Ihre Fähigkeiten. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit in Deutschland!" Die Syrer lächeln und sagen "Shukran" - "Danke". (epd)