Meißen und Bradford, Moschee und Synagoge

Jahrestagung der Meissen Kommission der EKD und der Kirche von England

16. September 2013

Mitglieder der Meissen-Kommission

Über 80 Prozent der Bevölkerung in Bradford sind Muslime, die meisten von ihnen pakistanischer Abstammung. So wurde schon der diesjährige Tagungsort in Nordengland für die jährliche Zusammenkunft der Meissen Kommission der EKD und der Kirche von England vom 12.-15. September 2013 zu einer besonderen interkulturellen Erfahrung. Die Kleidung der Menschen auf den Straßen Bradfords lassen den nicht Eingeweihten fragen, wo er sich wohl befindet – an die fünftgrößte Stadt Englands denkt er aus deutscher Perspektive eher nicht.

Die 23. Jahrestagung der Meissen Kommission, die sich mit „Reformation und Toleranz“ dem diesjährigen Thema der Lutherdekade zuwandte, entwickelte sich zu einem beeindruckenden Lehrstück in religiösem Zusammenleben: Zulfi Karim, ein führender Vertreter der über 80 Moscheen in Bradford, begeisterte die Kommission mit seinem Bericht, wie er vor einigen Monaten eine erfolgreiche Spendenkampagne unter den Muslimen der Stadt zugunsten der baufälligen, einzigen Synagoge Bradfords auf den Weg gebracht und damit die sehr kleine jüdische Gemeinde großzügig unterstützt hat. Karim: „Bradford ändert sich so schnell – wer weiß, ob nicht eines Tages wir die Hilfe der jüdischen Gemeinde brauchen werden.“

Die multikulturelle Situation in Bradford zeigte der Meissen Kommission erneut, wie unterschiedlich die kirchlichen Arbeitsbedingungen in Deutschland und England heute sind. Die Kirche von England sieht sich traditionell als für alle Menschen in der Gesellschaft zuständig. Jeder Engländer, unabhängig von Religion und Konfession, hat Anspruch auf Amtshandlungen wie z.B. eine kirchliche Trauung. Die deutsche Praxis, Trauungen normalerweise nur Kirchenmitgliedern anzubieten, kann auf der Insel kaum jemand verstehen.

So unterhält die Kirche von England auch ein sehr dichtes Netz an Schulen in kirchlicher Trägerschaft, auch wenn nur ein sehr kleiner Teil der Schülerinnen und Schüler aktive Kirchenmitglieder sind. Die Kommissionsmitglieder lernten bei einem Besuch der Bradford Academy (vergleichbar einer deutschen Gesamtschule in kirchlicher Trägerschaft) das Konzept einer „Faith-School“ mit über 1600 Schülerinnen und Schülern kennen, bei der es zum Konzept gehört, dass alle Religionen mit ihren Inhalten gleichberechtigt zur Geltung kommen. Daher verfügt die Bradford Academy als kirchliche Schule über keine dezidiert christliche Kapelle, sondern über einen multireligiösen Gebetsraum, in dem alle großen Weltreligionen Platz finden. Lehrerinnen und Lehrer an der Academy müssen nicht einer bestimmten Religion angehören oder eine Vokation der Kirche von England haben. Einstellungsvoraussetzung ist aber, einen positiven Bezug zu Religion zu haben und sich als spirituelles Wesen verstehen, für das eine aktive Religionsausübung zum Menschsein dazu gehört.

Neben den ergreifenden thematischen und erfahrungsbezogenen Teilen bot die diesjährige Kommissionssitzung auch viel Gelegenheit zum gemeinsamen geistlichen Leben, zum Austausch über den Stand der lebendigen Partnerschaftsarbeit und zur Entwicklung neuer gemeinsamer Ideen auf dem Weg „zu voller, sichtbarer Kirchengemeinschaft“, wie sie die Kirche von England und die EKD in der Meissener Erklärung von 1991 vereinbart haben. Insbesondere die Zusammenarbeit im schulischen Bereich soll weiter ausgebaut und „Meissen-Schulen“ in Deutschland und England im Rahmen dieser Partnerschaftsarbeit etabliert werden.

Es ist gute Tradition, dass zum Abschluss der jährlichen Meissen Kommissions-Tagung ein Abendmahlsgottesdienst gefeiert wird, den am 15. September der englische Co-Vorsitzende der Kommission, Rt Revd Nick Baines, Bischof von Bradford, in der Kathedrale von Bradford leitete. Der deutsche Co-Vorsitzende, der braunschweigische Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber, hielt die Predigt über Jesu Gleichnis vom Senfkorn und sagte mit Blick auf den manchmal unter Christen aufkommenden Kleinmut angesichts der sich verändernden Situation in Kirche und Gesellschaft: „Have faith in your faith and we will start to do what is necessary and find that the world can change.“