Kraft aus der Erinnerung

Vor 100 Jahren kauften Dietrich Bonhoeffers Eltern ein Ferienhaus im Harz

23. August 2013

Gedenktafel vor dem Bonhoeffer-Haus in Friedrichsbrunn

Von der Hauptstraße in die Forststraße gegenüber der Kirche, nach 150 Metern rechts in den Boxberg, weiter nach 80 Metern rechts in die Waldstraße, dann noch einmal links und rechts - so wird im Faltblatt der Weg beschrieben. Und hier nun in Friedrichsbrunn steht das Bonhoeffer-Haus, 230 Kilometer weg von Berlin im Harz. "In der Liebe zu Friedrichsbrunn will wohl keiner von uns hinter dem anderen zurückstehen. In diesem Jahr sind es 30 Jahre, dass Ihr es gekauft habt!", schrieb Dietrich Bonhoeffer im August 1943 aus dem Gefängnis in Berlin an seine Eltern.

In diesem August, 70 Jahre nach dem Brief, wird in dem Kurort an die Einrichtung des Urlaubsdomizils der Familie Bonhoeffer vor 100 Jahren erinnert. Weitab vom Großstadttrubel verlebte hier auch der spätere evangelische Theologe und Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Diktatur unbeschwerte Sommerwochen und spannende Ferien. "Dietrich hat die Natur unendlich geliebt. Und wer seine Bücher richtig liest, spürt überall seine Nähe zu ihr heraus", sagt Gabriela Zehnpfund. Zusammen mit ihrem Ehemann Thomas Zehnpfund ist sie seit zwei Jahren Eigentümerin des Hauses in Sachsen-Anhalt.

Sie vermieten Ferienwohnungen in dem Gebäude und betreiben seit 2009 das Café Bonhoeffer, dem zwei Ausstellungsräume angeschlossen sind. Seit Jahr und Tag wohnen sie nebenan. "Von Anfang an kamen auch viele Reisegruppen etwa aus den Niederlanden", berichtet Gabriela Zehnpfund. "Der Grund war ganz einfach Bonhoeffer!".

Das verschachtelte Gebäude aus roten Backsteinen hatten die Eltern - Paula, eine Lehrerin, und der Arzt Karl - 1913 gekauft. Acht Kinder waren Teil der Großfamilie, Dietrich wurde wie seine Zwillingsschwester Sabine 1906 in Breslau geboren. Schnell entwickelte sich das Haus zu einer Ferien- und Erholungsoase für die Familie und den großen Kreis der Verwandten und Bekannten.

Dietrich kam bis in seine Jugendzeit jeden Sommer und zuweilen auch im Winter oder zwischendurch zum Schützenfest. "Die Kinder hatten in Friedrichsbrunn viele Freunde", berichtet Gabriela Zehnpfund. Später seien sie auch mit dem eigenen Nachwuchs gekommen. Ihr 2007 verstorbener Vater Dieter Zehnpfund hat noch mit einem Neffen von Dietrich gespielt, und möglicherweise trafen sich auch Widerständler in der Harzer Abgeschiedenheit.

Nach der deutschen Teilung 1945 wurden Flüchtlinge in dem Haus einquartiert. Enteignet wurden die Besitzer von der DDR-Regierung aber nicht, weil Bonhoeffers als Verfolgte des Naziregimes galten. Die Erbengemeinschaft verkaufte das Haus im Jahr 2000 an einen Privatbesitzer, danach ging es an dessen Bruder über, von dem es Zehnpfunds erwarben.

Der Evangelische Kirchenkreis Halberstadt hatte 2009 die Ausstellungsräume gemietet. Im Juni 2012 wurde ein Träger- und Förderverein gegründet, der auch den Mietvertrag übernahm. Der Verein will das Haus als Gedenk- und Begegnungsstätte sichern und weiterentwickeln. Schon seit 1996 trägt die Kirche des Dorfes Bonhoeffers Namen.

Die Ausstellung dokumentiert mit Fotos und Texten die Besuche im Harz sowie den Weg der Kinder in den Widerstand und die Ermordung Dietrichs und weiterer Familienmitglieder. Zu sehen sind Bilder von Ausflügen - und Dietrich mit Konfirmanden oder Dietrich mit einer Gitarre. Das Material dafür wurde vom 2007 verstorbenen Dieter Zehnpfund, dem Vater von Gabriela, und dem zwischenzeitlichen Eigentümer über Jahre zusammengetragen.

Dietrich Bonhoeffer wurde 1943 verhaftet und bis zu seiner Hinrichtung im April 1945 im KZ Flossenbürg nicht wieder freigelassen. In schweren Stunden gaben ihm die Erinnerungen an die Zeit im Ferienhaus Kraft. So schrieb er im Juli 1943 an seine Eltern von lauter guten Erinnerungen, "von denen man auf einmal als von guten Geistern umgeben ist; als erste sind es immer stille Sommerabende in Friedrichsbrunn, die mir gegenwärtig werden". Vielleicht kam ihm da schon eine Idee zu seinem berühmten Gedicht "Von guten Mächten wunderbar geborgen...", verfasst Ende 1944. (epd)

www.bonhoeffer-haus-friedrichsbrunn.de