Vielfalt als Kraft und Gabe

Nikolaus Schneider unterstützt Initiative Engagierter Europäer

08. Januar 2013

Erzbischof Dr. Robert Zollitzsch, Aiman A. Mazyek, Dr. Dieter Graumann, Präses Dr. h.c. Nikolaus Schneider (v .l.)

Präses Nikolaus Schneider engagiert sich für die Initiative „Ich will Europa“ – gemeinsam mit Erzbischof Robert Zollitsch, Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime und Dieter Graumann vom Zentralrat der Juden. Im Interview für die Initiative erläutert der Ratsvorsitzende der EKD, welche Rolle die Glaubensgemeinschaften in Europa spielen.

Es ist das erste Mal, dass die Vertreter der großen Religionsgemeinschaften auf einem gemeinsamen Motiv zusammen zu sehen sind. Warum ist es Ihnen gerade jetzt wichtig, mit einem gemeinsamen Statement für ein starkes Europa einzutreten?
 
Nikolaus Schneider: Europa ist ein großartiges Friedensprojekt. Damit fing alles an. In den vergangenen Jahrzehnten waren Wirtschaft, Handel und Wandel die bestimmenden Parameter. Das allein reicht jedoch nicht aus. Wenn viele Menschen arbeitslos werden, wenn den jungen Leuten zunehmend die Perspektive fehlt, dann wird Europa an Strahlkraft verlieren. Es reicht dann nicht mehr aus, dass man eine Währung hat und dass man miteinander Handel treibt, sondern die Menschen brauchen Zukunftsperspektiven. Wir müssen wieder darauf drängen, dass Europa ein kultureller und sozialer Gestaltungsraum wird. Die alten Römer sagten: „Ubi bene, ibi patria.“ Dort, wo es mir gut geht, dort ist mein Heimatland. Dass wir das auch heute von Europa als Ganzem sagen können, dazu wollen wir als Kirchen und als Religionsgemeinschaften unseren Beitrag leisten. Gerade das Christentum hat die Kultur Europas wesentlich geprägt. Es ist an uns allen, gleichgültig welcher Religion wir angehören, den Menschen Mut zu machen, Gemeinschaft in Europa zu leben.
 
Wie leben die Glaubensgemeinschaften das europäische Motto "In Vielfalt geeint"?

Nikolaus Schneider: „In Vielfalt geeint“ als europäisches Motto passt gut zum protestantischen Prinzip der “Einheit in Vielfalt“. Wir Protestantinnen und Protestanten haben gelernt, Vielfalt nicht als eine Bedrohung zu erleben, sondern als eine Kraft und eine Gabe, die uns bereichert. Diese Erfahrung wollen wir auch in Europa einbringen.
 
Welchen Beitrag können die Glaubensgemeinschaften für das Zusammenwachsen Europas leisten?

Nikolaus Schneider: Als evangelische Kirche sehen wir uns in der Verantwortung, für eine gemeinsame Zukunft in Respekt und sozialer Verantwortung einzustehen, das zeigen wir nicht zuletzt durch unsere Vertretung in Brüssel. Die Gemeinschaft in Europa hat einen Wert, der weit über die gemeinsame Währung hinaus geht. Das, was wir als Glaubensgemeinschaften gemeinsam tun und sagen können, tun und sagen wir auch gemeinsam. Es gibt beispielsweise die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und es gibt viele gemeinsame Gespräche und Verlautbarungen zusammen mit der römisch-katholischen Kirche. Wir wollen erreichen, dass in Europa eine Dimension wachgehalten wird, die über reine Nützlichkeitserwägungen hinausgeht. Die Glaubensgemeinschaften haben die Kraft und Reichweite, Grenzen zu überwinden und Menschen für Europa zu begeistern. Wir wollen Europa mitgestalten und zu unserer Sache machen.
 
Warum wollen Sie Europa?
 
Nikolaus Schneider: Wir gehören als Europäer zusammen, weil uns Vieles grundsätzlich verbindet – da ist die besondere Kultur, die zum Beispiel die Aufklärung hervorgebracht hat. Ich finde es überaus positiv, dass wir gelernt haben kritische Vernunft und Glaube zusammenzuhalten. Persönlich schätze ich sehr, dass ich mich in Europa zwischen den Staaten frei bewegen kann, denn ich weiß noch, was es heißt, ständig an Grenzen kontrolliert zu werden. Wie gut, dass wir da heute in Europa schon viel weiter sind!