Vergurkte Weihnachtszeit

US-Amerikaner lieben "Deutsche Weihnachtsgurken" im Christbaum

09. Dezember 2013

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München (epd). Christbaumkugeln, Strohsterne und Holzengelchen bekommen Konkurrenz: Was sich US-Amerikaner jedes Jahr traditionell in ihre Weihnachtsbäume hängen, taucht seit einigen Jahren nun auch in Deutschland vermehrt auf: die saure Gurke. Wer bei der Bescherung als erstes das grüne Gemüse findet, wird mit einem Extra-Geschenk oder mit besonders viel Glück belohnt, so der Volksmund.

Das Kuriose dabei ist: Die Amerikaner sind davon überzeugt, dass der Gurken-Brauch ursprünglich aus Deutschland kommt. Umso erstaunter sind sie dann, wenn sie hierzulande eine fast gurkenfreie Weihnachtszone vorfinden. "Ich war ganz platt, als die amerikanischen Touristen mich ständig nach 'pickles' - also nach Essiggurken - gefragt haben. Ich habe anfangs nicht gecheckt, was sie wollten", erzählt Monika Ettengruber, die am Münchner Weihnachtsmarkt einen eigenen Stand betreibt.

Vor etwa vier Jahren habe sie dann wegen der steigenden Nachfrage Glasgurken in ihr Sortiment aufgenommen. "Der Kunde ist König", sagt die 45-Jährige - auch wenn sie sich selbst "nie so einen Schmarrn" an den Baum hängen würde. Seit etwa zwei Jahren kauften auch immer mehr Deutsche - neugierig geworden durch die US-Amerikaner - den außergewöhnlichen Baumschmuck. Die "German Christmas pickle" kehrt also in ihre angebliche Heimat zurück.

Über die Wurzeln des Brauches kursieren verschiedene Geschichten. Laut dem Unternehmen Inge-Glas in Neustadt bei Coburg, einem der größten Produzenten für gläsernen Weihnachtsschmuck, ist die Tradition Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. Damals hätten viele Familien kein Geld gehabt, um jedem ihrer Kinder ein Geschenk zu kaufen, sagt Andrea Jahn von Inge-Glas. Also versteckten sie eine Gurke im Baum - wer sie fand, bekam das Geschenk.

Bei dem Rothenburger Unternehmen "Käthe Wohlfahrt", das ebenfalls Weihnachtsartikel in alle Welt verkauft, erzählt man sich eine andere Geschichte. John Lower, ein gebürtiger Bayer, kämpfte im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865). Er geriet in Gefangenschaft, litt Hunger und bat schließlich - den Tod vor Augen - um eine Gurke. Wie durch ein Wunder überlebte er daraufhin. Als er freikam, hängte er aus Dankbarkeit jedes Jahr eine Gurke in seinen Weihnachtsbaum, wie Felicitas Höptner von "Käthe Wohlfahrt" erzählt.

Welche Geschichte stimmt, weiß niemand. Fakt ist, dass Inge-Glas bereits seit 30 Jahren Glasgurken in verschiedenen Variationen verkauft. Rund ein Drittel gehen an US-Amerikaner. Die erste Glasgurkenform stammt sogar aus dem Jahr 1900, wie Andrea Jahn nach ihrer Recherche sichtlich überrascht erzählt. Inge-Glas dürfte damit das erste Unternehmen gewesen sein, das Glasgurken anbot. Auch bei "Käthe Wohlfahrt" ist man erstaunt über den Verkaufsschlager Gurke, der seit 1998 im Sortiment ist: Im vergangenen Jahr seien insgesamt 12.300 Stück verkauft worden, davon 4.625 in die USA.

Den steigenden Erfolg der Weihnachtsgurke unter den Deutschen führen Andrea Jahn und Felicitas Höptner auf die "netten" Umstände zurück. Verkäufer bekämen von immer mehr einheimischen Kunden zu hören, dass sie die Gurke an Freunde und Familie weiterverschenken wollten. Sie sei einfach so "lustig" und "kurios".

Eine Meinung, die der München-Tourist Sean aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania überhaupt nicht teilt. "Die Gurke gehört dazu. Das müsstet Ihr Deutschen doch wissen." Monika Ettengruber lacht. Solche Aussagen kennt sie nur zu gut von ihrem Weihnachtsstand. Rund 50 Gurken verkauft sie pro Saison. Tendenz steigend. Der Großteil der Kunden wolle aber immer noch ihren traditionellen Glasbaumschmuck. Zum Glück, wie sie findet: "Von einem Gurkenstand bin ich also noch weit entfernt".