Von der Hymne zur Polka - Luthers Choral

"Ein feste Burg" behauptet sich nach fast 500 Jahren auch in digitalen Welten

30. Oktober 2013

Altes Gesangbuch: Ein feste Burg ...

Die Popularität ist seit fast 500 Jahren ungebrochen: Der Choral "Ein feste Burg ist unser Gott" von Martin Luther fehlt in keinem evangelischen Kirchengesangbuch und bei kaum einer kirchlichen Großveranstaltung. Selbst in der alles andere als kirchenfreundlichen DDR gehörte er zum Bildungskanon: Mit Friedrich Engels hatte einer der Kronzeugen der ostdeutschen Weltsicht das Lied einst als "Marseillaise des 16. Jahrhunderts" gleichsam zum revolutionären Text erhoben.

Dass es wirklich Luther war, der das Lied zwischen 1525 und 1529 geschrieben hat, gilt als sicher. Bei der Melodie indes könnte der "protestantische Urkantor" Johann Walter, ein enger Freund des Reformators, nachgeholfen haben. Die seither entstandenen Bearbeitungen sind in Zahl und Stil kaum überschaubar. Unmittelbar nach der Reformation ist es etwa bei dem fränkischen Kantor Caspar Othmayr (1515-1553) noch ein schlichtes Erbauungslied. Dagegen komponierte der Thüringer Johannes Eccard (1553-1611) einen der frühen hymnischen Chorsätze.

In späteren Jahrhunderten haben sich nahezu alle Komponisten von Rang und Namen mit Luthers Lied auseinandergesetzt. Die Kantate des Leipziger Thomaskantors Johann Sebastian Bach gehört dazu ebenso wie Orchester-, Chor- und Orgelwerke von Komponisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Franz Liszt oder Max Reger. Hinzu kommen etliche weltliche Umdichtungen: Von Liedern der deutschen Arbeiterbewegung des späten 19. Jahrhunderts über Bert Brechts "Hitler-Choräle" von 1933 bis zu den Protestsongs westdeutscher Anti-Atom-Aktivisten der 80er Jahre im Wendland. Es wurde aber auch immer wieder militaristisch instrumentalisiert.

Ein besonderes Gewicht in der Wirkungsgeschichte des Liedes hat das kleine Tröchtelborn im Thüringischen zwischen Erfurt und Gotha. Denn dort wurde Martin Luthers Kirchenlied unter dem Titel "Das Lutherische Schloß oder Feste Burgk" 1617 bei der 100-Jahr-Feier des Reformationsbeginns zur machtvollen protestantischen Hymne stilisiert. Die pompöse Festmusik "Gaudium Christianum" war ein Werk des Kantors Michael Altenburg (1584-1640).

Der Musiker, der die Jahre in dem Thüringer Dorf später die schönsten seines Lebens nennen sollte, war nicht nur ein Meister des frühbarocken Musizierens. Er galt zudem als orthodoxer lutherischer Theologe. So garniert er denn auch in seiner Reformationsmusik den Luther-Choral, den er mit Pauken und Trompeten und in den höchsten Tönen erschallen lässt, mit allerlei Attacken gegen die damalige Papstkirche.

"Evangelsche Lauterkeit" sei es gewesen, die dem Papst den Streit abgewonnen habe, heißt es schon in dem bezeichnenden Eingangschor "Das Lutherische Jubelgeschrey". Dem "treulosen Haufn, der sich von Luthers Lehr verlaufen" habe, wünscht er die baldige Bekehrung zum rechten Glauben. Und "Ein feste Burg" ergänzte er um eine Strophe mit ausführlichen Lobpreisungen für den "höchsten Gott".

Ob es Martin Luther selbst mit seiner Auslegung des biblischen Psalms 46 wirklich um eine solche Hymne ging, kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Zur Entstehungsgeschichte des Liedes kursieren zahlreiche Mutmaßungen.

Luther habe der seinerzeit latenten Bedrohung durch die Türken bewusst ein protestantisches Trutz- und Triumphlied entgegenstellen wollen, heißt es etwa. Andere sehen in "Ein feste Burg" nicht mehr als ein Stück allgemeiner religiöser Erbauungslyrik. Schließlich werden als Impuls für das Lied auch die inneren organischen Leiden genannt, mit denen Luther Zeit seines Lebens zu kämpfen hatte und gegen die er sich mit tröstlichen Versen zu wappnen versucht habe.

Mittlerweile hat auch die Generation Internet "Ein feste Burg" längst für sich entdeckt. Nur einen Mausklick voneinander entfernt erklingt Luthers Lied mit Chor oder Orchester, auf der Orgel oder als Elektropop. Die Clips dazu zeigen gelegentlich Sänger und Musiker oder ein Karaoke-Schriftband zum Mitsingen, manchmal aber auch nur Fotogalerien mit malerischen Burgen zwischen Schottland und dem Thüringer Wald - selbstredend mit der Wartburg. Die Übergänge zu Sakro-Kitsch sind fließend.

Absoluter Renner indes ist die "Reformation Polka", für die ein lutherischer Pastor aus den USA die Vorlage lieferte. Der bunte Comic beginnt mit "Ein feste Burg" und erzählt mit Versatzstücken der Pop-Kultur wie Michael Jacksons legendärem Moonwalk die Reformationsgeschichte vom Erfurter Augustinerkloster bis zu Luthers Hausstand mit Katharina von Bora - in weniger als vier Minuten. (epd)

Lied "Ein feste Burg ist unser Gott" nach Psalm 46 steht im Evangelischen Gesangbuch unter der Nummer 362