"Leben nach Luther"

Das Deutsche Historische Museum in Berlin zeigt eine Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses

25. Oktober 2013

epd-bild: Gustaf Fredrik Hjortberg med familij (Valllda - Församling); das Gemälde aus der Kirche von Släp nahe Göteborg in Schweden steht symbolisch für Gelehrigkeit und Bildungsehrgeiz in Pfarrhäusern).

Auf dem Tischchen stehen die Sherry-Flaschen, die Pfarrersfrau ist auf der Wohnzimmer-Couch in die Lektüre von "Peter Pan" versunken. Der Pfarrer selbst sitzt in pepita-gemusterter Hose bequem im englischen Knopfleder unweit des Kamins - eine Szenerie, die dem Stil und Habitus des englischen Landadels in nichts nachsteht. Die romantische Hausidylle wirft ein Licht darauf, wie erstrebenswert das Leben als anglikanischer Landpfarrer in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gewesen sein muss. Den romantischen Blick in das "Pfarrhaus von Hampton Lucy" erlaubt ein kleines hölzernes Puppenhaus aus dem Jahre 1950. Es ist eine der Hauptattraktionen in der Ausstellung "Leben nach Luther. Eine Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses", die ab diesem Freitag (25. Oktober) im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen ist.

In sechs Kapiteln widmet sich die Schau dem Alltag, der Bildung, der Kindererziehung, aber auch dem wissenschaftlichen Streben und den moralischen Vorstellungen in protestantischen Pfarrhäusern. Teure Badkeramik oder hochpreisige Kunstwerke begegnen dem Besucher nicht, dafür jede Menge Bilder, Bücher und manch anderes interessantes Ausstellungsstück. Wie etwa ein altes Fahrrad, das die Frage aufwerfen soll, ob ein Pfarrer Rad fahren oder Schlittschuh laufen dürfe.

Auf dem Dorfe sollte er "Pionier bürgerlicher Gesinnung sein und nicht Bauer unter Bauern", erklärt Ausstellungskurator Bodo-Michael Baumunk. In der Stadt erwartete man von ihm Teilhabe am öffentlichen Leben, aber doch nicht "allzu viel Anteilnahme an gesellschaftlichen Zerstreuungen". Ein Spagat für den Pfarrer und eine Herausforderung für die Ausstellungsmacher, das vielschichtige Leben in evangelischen Pfarrhäusern in nicht weniger als 500 Jahren abzubilden.

"Wir wollen das Pfarrhaus-Thema vom Kopf auf die Füße stellen", umreißt Baumunk seinen Ansatz. Oft werde das Pfarrhaus verklärt als Kinderstube berühmter Dichter und Denker, den meisten kämen sofort Attribute wie "Bescheidenheit" und "Bildung" in den Sinn. Im Mittelpunkt der Ausstellung stünden jedoch Fragen wie: Was macht ein Pfarrer eigentlich? Und: Wie lebt seine Familie - und wovon?

Die Idee für die Ausstellung ist schon fast zehn Jahre alt. Dass aktuelle politische Entwicklungen in den vergangenen Jahren ihre Realisierung durchaus erleichtert haben, gibt Baumunk unumwunden zu. Dennoch kommt die Ausstellung ohne die oft erwähnten Pfarrhäuser von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck aus. Nur mit dem "Spiegel"-Titel "Der Leviten-Leser" ist letzterer dann doch irgendwie präsent.

Dafür finden sich jede Menge anderer protestantischer Protagonisten in den Kapiteln "Der geistliche Stand im Protestantismus", "Amt und Habitus", "Statusfragen", "(Seelen-) Haushalt", "Gelahrtheit" und "Zwei Reiche". Ein "Seitenblick" ist dem katholischen als dem "anderen Pfarrhaus" gewidmet. Am Anfang der Schau stehen Amtstrachten, Talare und Beffchen. Die Ausstellungsmacher lassen dabei auch einen Blick ins Kuriositäten-Kabinett zu. So wird der orange-rote Talar eines Alt-68er-Vikars aus dem Schwäbischen gezeigt, der dem Vernehmen nach eine nicht minder provokante Prüfungspredigt gehalten haben soll. Goldbeladen und majestätisch wirkt dagegen das Ornat eines preußischen Konsistorialpräsidenten vom Ende des 19. Jahrhunderts.

Die meisten Kosten verursachte der Transport eines Gemäldes aus der Kirche von Släp nahe Göteborg in Schweden, das symbolisch für Gelehrigkeit und Bildungsehrgeiz in Pfarrhäusern steht. Das vielleicht kurioseste Ausstellungsstück ist eine Uhr mit "Weltuntergangsmesser" an der Seite. Exakt für das Jahr 1836 hatte der Erfinder die Wiederkehr Jesu Christi und das jüngste Gericht vorausberechnet. Auch Frauen haben nicht nur als Pfarrers-Gattinen ihren Platz in der Präsentation: So wird mit sehr persönlichen Erinnerungsstücken wie einem privaten Fotoalbum an die 1925 geborene Cäcilie Karg erinnert, eine der ersten Pfarrerinnen in der DDR.

Politisch und bedrückend wird es am Ende, wenn es um die Kirche in der NS-Zeit und später im geteilten Deutschland geht. Neben den Friedens-Buttons eines Pfarrers findet sich ein Fahnungsplakat mit RAF-Terroristen. Es steht für die Frage, warum die Herkunft von Gudrun Ensslin aus einem evangelischen Pfarrhaus als "milieuprägend" interpretiert wurde, während bei den 18 anderen Abgebildeten niemand den Beruf der Eltern auch nur zu nennen wüsste. An kaum einer anderen Stelle der Schau wird so plastisch, wie mystisch aufgeladen mitunter das Bild vom evangelischen Pfarrhaus ist. (epd)


Die Ausstellung "Leben nach Luther. Eine Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses" im Deutschen Historischen Museum ist vom 25. Oktober bis 2. März 2014 täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Deutsches Historisches Museum, Zeughaus und Ausstellungshalle, Unter den Linden 2, 10117 Berlin