"Eine Sünde, was hier passiert"

Auch in Afrika werden Lebensmittel verschwendet

04. Oktober 2013

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Johannesburg (epd). Ein Lastwagen rollt rückwärts. Dann spuckt er Kisten mit Salatköpfen und Äpfeln aus. 124,5 Kilo insgesamt. Danach 113 Kilo Brötchen und drei Baguettes. Mpho Putu trägt die Zahlen in eine Tabelle ein. Die Luft ist kühl, nur das Licht eines Deckenstrahlers erhellt die Halle im Norden der südafrikanischen Metropole Johannesburg.

Hier baut Putu eine Bank auf, die Lebensmittel umverteilt - die Foodbank ist eine der ersten Tafeln in Afrika. Damit soll die Zahl der Hungernden gesenkt und die Menge der verschwendeten Lebensmittel reduziert werden. Nirgendwo auf der Welt ist der Hunger schlimmer als im südlichen Afrika. Doch gleichzeitig sind die Müllhalden und Straßenränder voll mit verrottenden Lebensmitteln.

Der Foodbank-Manager Putu schlurft um einen kühlschrank-großen Stapel aus Schoko-Karamell-Creme-Dosen und zeigt auf eine LKW-Palette mit Keks-Packungen. Nestlé und Kellogg's lieferten regelmäßig Produkte an, die sie zu viel produziert haben oder deren Schachteln eine Delle hat, erklärt er.

Zwei Lagerhallen hat die Foodbank in Johannesburg gemietet und drei Lastwagen gekauft. Von 22 Supermärkten in Johannesburg werden morgens Lebensmittel abgeholt. Danach kommen Mitarbeiter von Schulen, Altersheimen und Hilfsprojekten, um sie abzuholen. Die Idee der Foodbank ist ähnlich wie die der Tafeln in Deutschland.

Allein in Südafrika wissen elf Millionen Menschen nicht, wo ihre nächste Mahlzeit herkommen soll. Das ist knapp ein Viertel der Bevölkerung. Jedes fünfte Kind bleibt in seiner Entwicklung zurück, weil es zu wenig oder das Falsche zu essen bekommt. Gleichzeitig werden in Südafrika nach Schätzungen jedes Jahr neun Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet oder verrotten.

Der Widerspruch kennt noch eine Steigerung: "Südafrika ist eines der wenigen Länder, das selbst für seine Bewohner sorgen könnte", sagt Foodbank-Chef Putu in Johannesburg. 300 Gramm Gemüse, 150 Gramm Fisch und Fleisch, dazu 600 Gramm Brot, Kartoffeln und Mehl produziert das Land täglich umgerechnet für jeden. Weil davon bis zu ein Drittel verschwindet, reicht es nicht mehr.

"Was heute passiert, ist eine Sünde", sagt Putu. Die Verschwendung von Reis und Brot sei nicht nur moralisch und wirtschaftlich bedenklich, sondern auch politisch: "Essen ist ein Menschenrecht." Auch die Ernte-Forscherin Elke Crouch von der Universität Stellenbosch sagt: "Wir müssen nicht mehr Lebensmittel produzieren, sondern mit dem, was wir haben, besser umgehen."

Während es in Europa vor allem Konsumenten sind, die Lebensmittel verschwenden, sind es in Entwicklungsländern meist die Erzeuger und Händler, wie Crouch erklärt. Es fehle an Wissen, wie man Obst lagert, an Strom für die Kühlketten und an Straßen für den zügigen Transport von frischem Fleisch und Gemüse. Mit dem Anstieg des Lebensstandards wachsen die Ansprüche: Auch in Südafrika sortieren Händler inzwischen Gemüse und Obst mit Schönheitsfehlern aus. Konzerne stoßen Dosen ab, auf denen das Etikett falsch herum klebt.

6.000 Tonnen Lebensmitteln rettet Putus Organisation jedes Jahr, das entspricht etwa 20 Millionen Mahlzeiten. Doch das sei nur ein Bruchteil dessen, was verrottet. Aber mehr schafft sein Team nicht. "Wir haben nicht genug Lastwagen, um zu allen Supermärkten zu fahren", sagt Putu. Doch mittlerweile dehnt die Initiative ihre Arbeit über die Industriemetropole Johannesburg hinaus aus. 2009 wurde die erste Foodbank in Kapstadt gegründet, insgesamt gibt es derzeit neun Standorte in Südafrika.