Vom Kreuz ins Paradies

Viele Gasthausnamen haben einen religiösen Hintergrund

30. August 2013

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Freiburg (epd). Im Mittelalter mussten die Pilger oft weite Strecken zu Fuß zurücklegen und waren froh, unterwegs eine Bleibe zu finden. Damals lagen die Gasthäuser in kirchlichen Händen und bekamen biblische Namen, zum Beispiel Garten Eden, Paradies oder Kreuz. Auch Wohnhäuser wurden mit Namen versehen.

Erst später erhielten Gebäude Hausnummern - zuerst in Hamburg, wie der Freiburger Sprachwissenschaftler Konrad Kunze dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärte. Dort wurden Nummerierungen wegen der Armenpflege eingeführt. Damit verschwanden allmählich Hausnamen, nur Apotheken und Gasthäuser behielten sie bei.

Kunze ist einer der Herausgeber des Deutschen Familienatlanten, der die Verbreitung verschiedener Namen in Deutschland illustriert. Bei seiner Arbeit ist er eher zufällig darauf gekommen, Gaststättennamen zu erforschen. Auffällig sei, so der Wissenschaftler, dass die Gaststätten mit den Namen Adler, Bären, Engel, Löwen Krone oder Sonne "massiv und markant" im Südwesten Deutschlands konzentriert sind - und ansonsten nur vereinzelt auftreten.

Der "Rabe" zum Beispiel ist so ein biblisches Motiv: Die Speisung des Propheten Elia erfolgte durch einen Raben, dies ging auch auf christliche Heilige über, etwa den heiligen Eremiten Paulus von Theben. Im badischen Bühl ist ein Raben-Wirt bereits 1682 erwähnt. Der Heilige Meinrad von Einsiedeln hatte zwei Raben als Begleiter, die nach seiner Ermordung die Mörder anzeigten. Zwei Raben wurden auch in das Wappen des Klosters Einsiedeln aufgenommen.

Der Rabe hat laut Kunze auch den Rappen inspiriert. Während Gasthäuser "Zum Rappen" im nördlichen Baden-Württemberg auftreten, heißen sie im südlichen Landesteil "Zum Raben". Dies ist nicht erstaunlich, da die Dialektform für Raben Rapp ist. Wegen der schwarzen Farbe des Tieres wurde das Wort im 16. Jahrhundert auch auf schwarze Pferde übertragen.

Viele "Engel" gibt es in der Schweiz und in katholischen Gegenden Süddeutschlands. Auch die Heiligen Drei Könige galten als Patrone der Reisenden. An die Drei aus dem Morgenland erinnern die Gasthausnamen Mohr, Stern oder Krone.

Die These, dass die Gasthausnamen Adler, Engel, Löwe und Ochsen auf Symbole der vier Evangelisten zurückgehen, widerlegt Kunze jedoch. Zwar hatte der Apostel Johannes der Bibel zufolge eine Vision. Er sah den Thron und daneben vier Wesen, mit denen die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes gemeint sein könnten: Einen Adler, einen Engel, einen Löwen und einen Stier.

Würden sich die entsprechenden Gasthaus-Namen tatsächlich den vier Evangelisten zuordnen, müssten die Namen gleichmäßiger verteilt sein, meint der Forscher. "Ochsen" seien etwa nur in Baden-Württemberg anzutreffen. Dieser ist Kunze zufolge zudem keine Ableitung aus dem Stier, der den Evangelisten Lukas begleitet. Vielmehr deutet der Wissenschaftler den Ochsen als Verweis auf ein Gasthaus mit Metzgerei - die Metzgerzunft verwendete den Ochsenkopf als Zeichen.

Auch von dem Gasthausnahmen "Sternen" auf den Stern von Bethlehem zu schließen, hält Kunze für zu kurz gegriffen. Der sechszackige Stern sei von Brauereien als Symbol für frisches Bier verwendet worden.

Wer derweil ins "Kreuz" geht, wohnt wahrscheinlich in einer süddeutschen, katholisch geprägten Region. Während in der Schweiz die Benennung durch das Schweizerkreuz und das Wappen an Wirtshäusern motiviert ist, geht es in Süddeutschland Kunze zufolge auf alte Wegzeichen zurück oder Straßenkreuzungen. Es fällt auf, dass der Name vor allem im zentralen Württemberg und in großen Teilen des Markgräfler Landes sowie in Oberschwaben fehlt.

Kunze vermutet, dass dieses christliche Symbol in streng protestantischen Gegenden als Bezeichnung für Essen, Trinken und Zechen tabu war. Stattdessen ging man in den evangelischen Gegenden Württembergs in die "Traube" oder in Baden in den "Rebstock".

Namensunterschiede gibt es nicht nur in evangelischen oder katholischen Regionen, sondern auch zwischen Süd und Norddeutschland. Im Norden gebe es mehr "Krüge", beispielsweise einen Heidekrug oder "Schänken". Am häufigsten in Deutschland kann man in der "Linde" ein Mahl einnehmen. Der Baum steht als Symbol für Geselligkeit - trafen sich doch früher die Menschen unter dem Lindenbaum zum Tanzen.