Vom Gartenhaus zum Gotteshaus

Ein Berliner hat sich seine eigene Kirche gebaut

10. Juli 2013

Roland Jacob in seiner "Gartenkirche"

Grabsteine und mehr als hundert Skulpturen stehen in Roland Jacobs Garten im Berliner Ortsteil Blankenburg. Doch nicht nur das: Der 73-Jährige hat hinter Farnen und Zierpflanzen auch eine eigene Kirche gebaut. Zehn Jahre hat er gebraucht, um sein 25 Quadratmeter großes, hölzernes Gartenhaus in ein Gotteshaus umzubauen. Nun steht er vor seinem fertigen "Kirchlein zum guten Hirten" und zeigt auf eine bronzene Skulptur, einen Hirten mit Stock und Hut, der der Kirche ihren Namen gegeben hat.

Jacob hat die Figur bei Ebay ersteigert, wie fast alle Gegenstände in seiner Kirche: Die zwölf restaurierten bunten Bleiglasfenster, die auch Maria und Josef zeigen, den aus einem Holzstück geschnitzten Christus mit nach oben gestreckten Armen, der über dem Altar hängt, die goldverzierte Kirchenbank. Und das Glockenspiel, das an einem Baum vor seiner Kirche hängt und Liedmelodien spielt, morgens um neun "Die güldne Sonne", mittags um eins "Großer Gott, wir loben dich" und abends um sieben "Weißt du, wie viel Sternlein stehen".

Insgesamt 70.000 Euro hat Jacob in sein "Kirchlein" gesteckt, über andere Bezeichnungen ärgert er sich: "Es ist keine Kapelle, das würde nach Krankenhaus und Friedhof klingen", sagt er. "Und es ist auch keine Laube, hier stehen doch keine Gartenzwerge."

Neben dem Kirchlein steht Jacobs Tischlerei. Beim Bauen von Möbeln und Häusern konnte der Pensionär schon abschalten, als er noch Chefarzt am Klinikum Berlin-Buch war und täglich Krebskranke beim Sterben begleitete. Die Idee, eine eigene Kirche zu bauen, hatte Jacob 2002 bei einem Urlaub in Ecuador: "Dort hatte ein deutscher Aussteiger eine Hotelanlage gebaut, mit einer eigenen Kirche aus Tropenholz", erzählt er. "Als ich da drinnen saß und die Affen zum Fenster reinguckten, war ich fasziniert und dachte: So eine Kirche baust du dir auch."

1940 im sächsischen Vogtland geboren, wuchs Jacob in einer strenggläubigen, pietistischen Familie auf. Während der DDR engagierte er sich in der theologisch konservativen Landeskirchlichen Gemeinschaft, war Vorsitzender des sächsischen Landesjugendkonvents. Doch die "offizielle Kirche" wurde ihm zunehmend fremd, "weil der Bischof bei uns auf die DDR-Regierung schimpfte", dann aber mit seinem Mercedes zu Erich Honecker gefahren sei und mit ihm Wein getrunken habe, erzählt er.

1989 ist er aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Er habe sich darüber geärgert, dass sich viele Pfarrer "plötzlich als Regimegegner aufspielten, obwohl sie vorher angepasst waren", begründet er seine Entscheidung. Als Selbstgerechtigkeit empfindet er das, und es stört ihn bis heute.

Viele evangelische Gemeinden legten eher Wert darauf, eine "geschlossene Gemeinschaft der Erlösten" zu sein, als nach außen zu wirken, kritisiert er. Sein Kirchlein dagegen sei ökumenisch und auch offen für Konfessionslose, sagt Jacob. Mit ihnen möchte er über Philosophie und Glaubensfragen diskutieren: "Ich wollte hier einen Ort schaffen, wo sich Leute treffen können, die wie ich gewisse Probleme mit der Firma Kirche haben, die aber eine christliche Weltanschauung haben und eine innere Verbindung zur Kirche halten wollen."

Ursprünglich baute Jacob die Kirche nur für sich, "um hier zu sitzen und über Gott und die Welt nachzudenken". Jeden Tag geht er nun an seinem Konfirmationsspruch vorbei, "Gott ist getreu", der in großen Lettern über dem Eingang steht und ihm schon über viele Schicksalsschläge hinweggeholfen hat, und setzt sich auf seinen Lieblingsplatz am Altar. Er freut sich über das hereinfallende Tageslicht, das mal das Gesicht einer Fensterfigur, mal ihr rotes Gewand beleuchtet.

"Draußen zwitschern die Vögel, aber wenn ich in das Kirchlein hereingehe und die Tür hinter mir zumache, spüre ich eine feierliche Ruhe", sagt er. Dieses Innehalten habe dazu beigetragen, dass ihm bewusst geworden sei, dass ihm "die Gemeinschaft und das Abendmahl fehlt", erzählt er. Vor einigen Wochen ist er deshalb wieder in die evangelische Kirche eingetreten. Mit der benachbarten Kirchengemeinde arbeitet er schon länger zusammen. Anfangs hätten sie ihn dort für einen Scientologen gehalten, sagt er. Jetzt organisieren sie zusammen Lesungen und Konzerte in seiner Kirche. (epd)