Wandern auf den Spuren der Hugenotten

Der europäische Hugenotten- und Waldenserpfad erzählt von der Flucht Protestanten aus Frankreich und Italien

10. Juni 2013

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Er ist 1.800 Kilometer lang und zieht sich von Le Poët-Laval in den südfranzösischen Alpen bis ins nordhessische Bad Karlshafen an der Weser. Der europäische Hugenotten- und Waldenserpfad ist die Route, auf der vor mehr als 300 Jahren Hugenotten aus Südfrankreich und Waldenser aus den italienisch-piemontesischen Alpentälern geflohen waren. Im vergangenen Jahr wurde der letzte Abschnitt des europäischen Fernwanderwegs in Baden-Württemberg eröffnet.

"Der Weg wird in beiden Richtungen gut bewandert", sagt Renate Buchenauer, Projektkoordinatorin vom Verein "Hugenotten- und Waldenserpfad". Es gebe viele Gruppen vor allem aus der Schweiz, die sich für Wanderungen auf Teilstücken interessierten. "Inzwischen gibt es aber auch immer mehr Anfragen aus Nord- und Ostdeutschland von Kommunen, Kirchengemeinden und Einzelpersonen, den Weg noch weiter durch Deutschland zu führen, aber das wird dauern", sagt Buchenauer.

"Der historische Kulturfernwanderweg ist für uns ein Gegenstück zu den klassischen Pilgerwegen", betont Buchenauer. Sie sieht in der Wanderroute des in Deutschland bislang rund 800 Kilometer langen Pfades auch "einen Weg zum Protestantismus und der Toleranz", der nicht nur auf die Spuren der Glaubensflüchtlinge von damals hinweisen soll.

"Mit dem Weg wird auch das Thema Migration behandelt", sagt Buchenauer, die selbst von einer hugenottischen Familie abstammt. So wird mit kulturellen Veranstaltungen, sowie Schau- und Informationstafeln auf das Thema Flucht und Sesshaftigkeit hin gewiesen.

Als der französische "Sonnenkönig" Ludwig XIV. die Ausübung des evangelischen Glaubens 1685 in seinem Reich verbot, flohen rund 200.000 Protestanten ins Ausland. Auf Schleichwegen über die Alpen führten die Routen der Hugenotten und Waldenser zunächst ins evangelische Genf. Von dort konnten die Flüchtlinge über Bern und Zürich bis Schaffhausen reisen, weiter durch das evangelische Württemberg und Nordbaden in die evangelischen Territorien Hessens.

Waldenser und Hugenotten unterscheiden sich in Geschichte und Theologie, teilten aber eine Verfolgungs- und Fluchtgeschichte. Die Waldenserbewegung entstand im 12. Jahrhundert in Südfrankreich, wurde über Jahrhunderte verfolgt und schloss sich Mitte des 16. Jahrhunderts der Reformation an. Die Hugenotten waren von dem Reformator Johannes Calvin beeinflusste Protestanten im Frankreich der vorrevolutionären Zeit. Sie wurden ebenfalls verfolgt und flohen vor allem zum Ausgang des 17. Jahrhunderts in großer Zahl in protestantische Gebiete.

"Unser Logo ist die weiße Silhouette eines wandernden Hugenotten mit Rock, Schlapphut und Stock vor einer blauen Scheibe", sagt Buchenauer. Das Hugenottenbild stamme von einem historischen Kupferstich und damaligen Erkennungsmünzen, mit denen sich die verfolgten Protestanten auf ihren geheimen Zusammenkünften oder bei heimlichen Gottesdienstfeiern ausweisen mussten. Dem Verein gehören Kommunen, Landkreise, Kirchengemeinden, Wander- und Kulturvereine sowie Unternehmen an.

Wie viele Hugenotten-Nachfahren es heute noch gibt ist nach Ansicht des Hugenotten- und Waldenser-Experten Albert de Lange unbekannt. "Es gab sehr viele Hugenotten, die nach Hessen und Norddeutschland gezogen sind, um 1700 waren 30 Prozent der Bevölkerung Berlins hugenottischer Abstammung", sagt de Lange. Heute aber gebe es keine hugenottische Kirchengemeinde mehr.

Der Wanderpfad ist mit einer blauen Scheibe markiert, sie symbolisiert die historische Erkennungsmünze (méreau), und einer geschwungenen grünen Linie für den Pfad. Der Pfad führt in Deutschland zu zahlreichen Fachwerkhäusern und Kirchen, die etwa in den nordhessischen Orten Gottstreu, Gewissenruh und Schöneberg oder in baden-württembergischen Gemeinden wie Pinache, Perouse, Neuhengstett, Simmozheim oder Großvillars zum Teil noch französische Inschriften tragen. Wo die Flüchtlinge ansässig wurden, werden mancherorts bis heute bei größeren Feiertagen Gottesdienste auf Französisch gehalten.