Hamburg beendet den Kirchentag mit Sonne und Gerechtigkeit

130.000 Gläubige beim Abschlussgottesdienst im Stadtpark

05. Mai 2017

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Hamburg (epd). "Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unsrer Zeit" sangen 130.000 Christen am Sonntag zum Abschluss des evangelischen Kirchentags in Hamburg. Es war vor allem das Thema Gerechtigkeit, das sich als Leitfaden durch die rund 2.500 Veranstaltungen zog. Das Motto "Soviel du brauchst" war Anregung für eine breite Debatte über das rechte Maß von Geld und Glück.

Fünf Tage lang war Hamburg eine Stadt in hellblau. Nicht nur blaue Fahnen, Plakate und Kirchentagsschals bestimmten die Farbe der Stadt, sondern auch ein strahlender Himmel. Nicht der übliche Regenschirm, sondern Sonnencreme war ständiger Begleiter der mehr als 150.000 Besucher. "Petrus ist Protestant" überschrieb eine Hamburger Zeitung ihren Wetterbericht.

Vor allem beim Thema soziale Gerechtigkeit herrschte große Einigkeit. Gemeinsam forderten Kirchenvertreter und Gewerkschafter Maßnahmen gegen Lohndumping. "Menschen, die arbeiten, müssen von ihrem Lohn auch leben können", sagte Kirchentagspräsident Gerhard Robbers in seiner Bilanz. Unternehmer Michael Otto erklärte, dass auch bei seiner umstrittenen Logistiktochter "Hermes" künftig TÜV-geprüft alle Subunternehmer faire Löhne zahlen sollten.

Erstmals in seiner Geschichte wurde der Kirchentag am 1. Mai eröffnet - dem Tag der Arbeit. Die anfängliche Harmonie zwischen Kirche und Gewerkschaft endete jedoch, als über das Streikverbot bei der Kirche diskutiert wurde. Das Streikrecht sei "unteilbar und unverzichtbar", wetterte ver.di-Chef Frank Bsirske. Gute und faire Arbeitsbedingungen gebe es in einer Dienstgemeinschaft auch ohne Streiks, konterte Diakonie-Präsident Johannes Stockmeier.

Trotz der Politik-Prominenz war von der anstehenden Bundestagswahl wenig zu spüren. Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Peer Steinbrück vermieden den direkten Schlagabtausch. Merkel sprach am Freitag über weltweite Gerechtigkeit: "Uns wird es auf Dauer nur gutgehen, wenn es auch anderen Ländern gutgeht." Steinbrück warb für einen fairen Umgang mit Steuersünder Uli Hoeneß. Die Herausforderungen bei Klima und Finanzkrise müssten gemeinsam bewältigt werden, betonten beide einmütig. Wahlkampf sieht anders aus.

Nur beim Thema Frieden und Bundeswehr wurde es laut. Als "Kriegstreiber" und "Mörder" wurde Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) von Demonstranten beschimpft, die die Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien anprangerten. Als der Protest vor der Halle weitergingen, schritt die Polizei ein. De Maizière forderte mehr Wertschätzung für die Soldaten in Afghanistan. Ihnen dürfe "man auch mal danke sagen". Da wusste er noch nicht, dass am Samstag ein Bundeswehrsoldat in Nord-Afghanistan getötet werden sollte.

Umso friedlicher waren die Begegnungen zwischen den Religionsvertretern. "Kein Blatt" passe zwischen Protestanten und Katholiken, sagte Kirchenpräsident Robbers. Erzbischof Werner Thissen regte einen Ökumenischen Kirchentag in Hamburg an. Die Forderung von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nach einem gemeinsamen Abendmahl blieb ohne Resonanz. Auch rund 600 Muslime und Christen feierten am Samstag einen gemeinsamen Gottesdienst.

Zu den größten Herausforderungen des Kirchentags zählte es, alle Angebote auch den 1.700 behinderten Gästen zugänglich zu machen. Ein deutliches Zeichen setzte Bundespräsident Joachim Gauck bei der Diskussion mit Samuel Koch, der seit einem Unfall bei "Wetten, dass..?" gelähmt ist. Behinderte seien "ein Vorbild in Lebensfreude und Lebensbejahung", sagte Gauck und reichte Koch während der Diskussion fürsorglich das Wasserglas.

Im Schlussgottesdienst rief der britische Bischof Nicholas Baines noch einmal zu einem bescheideneren Lebensstil auf. "Die Welt muss nicht so sein, wie sie jetzt ist." Und so sangen die 130.000 Besucher nach seiner Predigt: "Komm in unsre stolze Welt/ Überwinde Macht und Geld./ Schaff aus unserm Überfluss/ Rettung dem, der hungern muss."