Generationenwechsel

Von Zeitenwende,neuen Anfängen und vielen Rückblicken: das Kirchenamt hat eine neue Führungsspitze

03. Dezember 2010

Gottesdienst in der Herrenhäuser Kirche zu Hannover

Festliche Bläserklänge von Johann Sebastian Bach erklangen, als der Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider mit den Beteiligten Einzug hielt: „O Gott, du frommer Gott“ aus der gleichnamigen Kantate von J.S. Bach. Der gemischte Ad-hoc-chor aus Mitgliedern des erlesenen Athenisus Consorts aus Berlin und musikbegeisterten Sängerinnen und Sängern des Kirchenamtes der EKD setzte vor der Evangeliumslesung mit Worten aus dem 124. Psalm in der Vertonung des Spätromantikers Joseph Gabriel Rheinberger einen ersten Akzent: „Unsre Seele ist entronnen wie ein Vogel dem Netze des Vogelfängers; das Netz ist zerrissen und wir sind frei“. Im Glaubenslied von Rudolf Alexander Schröder (EG 184) besang die vielköpfige Festgemeinde den „Geist, der heilig insgemein lässt Christen Christi Kirche sein“.

Dann schritt Nikolaus Schneider zur Verabschiedung Hermann Barths. Es war eine bewegende Szene, als Barth, der seit 1985 in verschiedenen Funktionen im Kirchenamt der EKD gedient hatte, sein Amtskreuz zurückgab. Manchem in den vollgefüllten Bankreihen mögen neben Dankbarkeit doch auch beklommene Gefühle durchzogen haben, dass dieser verlässliche Steuermann der EKD nun nicht mehr in der ersten Reihe zur Verfügung stehen wird...

In seiner Ansprache verglich Schneider den scheidenden Präsidenten mit dem Reformator Philipp Melanchthon: Barth habe das Schiff der EKD klug und weise durch die Zeiten geführt und an vielen Klippen vorbeigesteuert. Er habe durch seine „Kompetenz und Klugheit“ viel für das Zusammenwachsen der Landeskirchen und der EKD getan. Bei aller Präzision und Gedankentiefe sei Barth zudem ein überaus „origineller Kopf“, der immer wieder für einige „Verrücktheiten im besten Sinne“ gut gewesen sei. Den drei Einzuführenden – neben dem neuen Präsidenten Hans Ulrich Anke waren dies Thies Gundlach als neuer geistlicher Vizepräsident des Kirchenamtes und Christoph Thiele als neuer Leiter der Rechtsabteilung – wünschte der Ratsvorsitzende Gottes Segen und guten Erfolg. Er erinnerte daran, dass alles kirchliche Leiten, geschehe es von Ordinierten oder Nichtordinierten, von Theologen, Juristen oder Menschen anderer Profession, immer auch geistliches Leiten zu sein habe.

Auf der Schwelle zwischen Verabschiedung und Einführung der Neuen sang der Chor das Neujahrslied von Johann Peter Hebel in der Vertonung Felix Mendelssohn-Bartholdys, in dem es heißt: „War’s nicht so im Alten Jahr: / Sonnen wallen auf und nieder, / Wolken gehen und kommen wieder, / und kein Wunsch wird’s wenden / Gebe denn, der über uns wägt mit rechter Waage / jedem Sinn für seine Freuden, / jedem Mut für seine Leiden / in die neuen Tage.“

In seiner Predigt verglich der neue Vizepräsident Thies Gundlach die Situation der evangelischen Kirche heute ein stückweit mit der biblischen Situation des Volk Israels, das nach dem Tode Mose am Jordan verharrte (Josua 1,5-9). Einige wünschten sich die Fleischtöpfe Ägyptens zurück. Gundlach äußerte Verständnis für diesen Wunsch, gab aber doch nachdrücklich seiner Hoffnung Ausdruck, dass die evangelische Kirche den Mut behalten möge, nötige Überschritte in Themen und Milieus zu wagen, auch wenn der Ausgang dieses Wagnisses im Vorhinein noch nicht endgültig abzuschätzen sei. Man könne sich auch im Neuland gar nicht so weit verlaufen, dass einen Gott nicht wiederfinde, so Gundlach resümierend.

Von diesem Gedanken ausgehend machte Gundlach der evangelischen Kirche Mut zu neuen Aufbrüchen: „Klammern an Strukturen, Festhalten am Gewohnten, Vermeiden von Neuem, - das ist eigentlich nicht so unsere Art. Natürlich: Aufbruch und Reformen nicht um jeden Preis! Aber auch nicht: um keinen Preis!“ Deshalb, so der neue Vizepräsident weiter, brauche die Kirche den „protestantischen Geist des Aufbruches“ und „reformatorische Freiheitssehnsucht“. Diese Tugenden sollten auch der „Glutkern“ des Reformationsjubiläums 2017 sein, das sich Gundlach als eine „weltweite Feier des wiederentdeckten Evangeliums, die alle einlädt“ wünschte.

Nach dieser wärmenden Predigt, die durchaus auch selbstkritische Töne enthielt („Einen angeschlagenen Boxer gibt es keineswegs nur bei den anderen, eine ehrliche Seele weiß immer auch gute Gründe, zurück zu den Fleischtöpfen Ägyptens zu wollen!) sang der Chor „Nun danket alle Gott“ von Johann Pachelbel. Auch mit dem Hintergedanken, den scheidenden Präsidenten Barth mit einem Werk zu ehren, dessen textlicher Anhalt am buche Jesus Sirach, das Barth überaus schätzt, offen zutage liegt. Leider hörte der zu Ehrende nur einen Teil des Stückes, denn er war hinausgeeilt um einen witterungsbedingt verspätend eintreffenden Gast persönlich vor der Kirche zu begrüßen: Pater Dr. Hans Langendörfer, den Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, einem ökumenischen Gesprächspartner, dem Barth über Jahre eng verbunden war.

Dies wurde auch bei den Grußworten deutlich, die sich nach dem Gottesdienst gehalten wurden, nachdem die vortrefflichen Posaunen zum Beschluss Mendelssohns „Fürchte dich nicht ich bin bei Dir“ aus dem „Elias“ intoniert hatten. Langendörfer dankte Barth für die vielen tiefen Gespräche und die großartige vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ja, er ging sogar soweit ihm einen Beratervertrag anzudienen, aber er blieb kritisch ob der Erfolgsaussichten eines solchen Ansinnens („Wir denken aktiv darüber nach, Herrn Barth einen Beratervertrag anzubieten. Wir wollen ihn als unseren bevorzugten „Fremdpropheten“ gewinnen. Freilich müssen wir befürchten, dass seine unüberwindliche und unbeirrbare Liebe zum Protestantismus und seine eigenwillige Prioritätensetzung aus diesem Projekt nichts werden lassen. Schade eigentlich, denn wir haben alles getan, um ihn auf den guten Geschmack zu bringen.“).

Außer Langendörfer sprachen noch die Präses der EKD-Synode, Katrin Göring-Eckardt in weiten Teilen, EKD-Ratsmitglied Klaus Winterhoff absolut und angekündigterweise „in humoris causa“. Mit einem Empfang im Kirchenamt der EKD klang der Tag des Übergangs in froher Runde aus.