EKD-Ratsdelegation besuchte den Sudan

Berichte des Evangelischen Pressedienstes (epd), der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (idea) und des EKD-Pressesprechers zur Reise

25. November 2005


Was würde Jesus dazu sagen?

Bischof Wolfgang Huber, EKD-Ratsvorsitzender

„Wir haben für Matej gebetet.“ Das sagte der Basketball-Profi Hollis Price, nachdem Alba-Kapitän Matej Mamic mit dem Rettungshubschrauber aus der Max-Schmeling-Halle abtransportiert worden war.

Der Schrecken war den Spielern wie den Fans ins Gesicht geschrieben. Jedem stockte der Atem, der von dem Unglück hörte. Auch mir. In den Tränen seiner Frau und vieler anderer brach sich die Angst um Matejs Leben Bahn. Das Gebet war die letzte Zuflucht und der einzige Trost.

Die schlimmsten Befürchtungen haben sich nicht bestätigt, Gott sei Dank. Die schwere Rückenmarksprellung wurde gleich behandelt. Mamic kann Arme und Beine wieder bewegen. Doch die weitere Entwicklung „steht in den Sternen“. So sagt es der Manager von Alba. Bei aller menschlichen Zuwendung und medizinischen Kunst: niemand von uns hat sein Leben in der Hand. Auch weiterhin braucht Matej Mamic das Gebet, aus dem Hoffnung und Zuversicht wachsen.

„Betet für uns!“ Das war die kurze, eindringliche Bitte der Menschen im Sudan, die ich besuchte, während sich in Berlin das Drama um Matej Mamic abspielte. Auch diese ganz andere Art menschlicher Not werde ich nicht vergessen. Der Bürgerkrieg zieht eine schreckliche Spur.

Da saßen sie dicht gedrängt: über zwanzig Frauen und Kinder auf einer zerschlissenen Matte. Spärlich waren sie bekleidet, einzelne Mütter gaben ihren Kindern die Brust. Doch die war leer. Eine ältere, zahnlose Frau machte sich zur Sprecherin der Gruppe. Die Verzweiflung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Ihr fehlte alles: Nahrung, Kleidung, Medikamente. „Betet für uns!“

Das Gebet ist die Quelle der Hoffnung und der Ursprung des Helfens. Dass für Matej gebetet wurde, schließt den Einsatz für sein Leben ein. Dass für die Ärmsten der Armen im Sudan gebetet wird, schließt ein, dass wir uns diesem von Bürgerkrieg gebeutelten Land in Afrika zuwenden und zur Hilfe bereit sind.

Aufmerksamkeit für unsere Mitmenschen ist in der Nähe, aber auch in der Ferne möglich. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, sagt Jesus. Das hilft. Matej Mamic spürt es an den tausenden von emails mit Genesungswünschen. Hoffentlich spüren es auch die Menschen im Sudan.

02. Dezember 2005 (Bischofskolumne in der BZ)



EKD-Ratsvorsitzender fordert mehr Einsatz für den Sudan

Frieden zwischen Norden und Süden noch nicht ausreichend umgesetzt

B e r l i n (idea) – Die internationale Staatengemeinschaft muß sich stärker im Sudan engagieren. Das forderte der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber (Berlin), am 28. November vor Journalisten in Berlin. Er hatte zuvor mit einer EKD-Delegation das afrikanische Land bereist. Im Sudan ist im Januar ein 21jähriger Bürgerkrieg zwischen der radikal-islamischen Zentralregierung und der Südsudanesischen Volksbefreiungsarmee mit einem Friedensabkommen beendet worden. Wie Huber erklärte, habe die EKD-Delegation allerdings nicht den Eindruck, daß das Friedensabkommen hinreichend umgesetzt werde. Zwar herrsche ein stabiler Waffenstillstand, doch seien viele Punkte anscheinend noch nicht in Angriff genommen worden. Das gelte etwa für die Situation der rund sechs Millionen Flüchtlinge. Von einem begonnenen Wiederaufbau könne keine Rede sein. Die Hauptstadt des Südsudan, Juba, habe einen deprimierenden Eindruck vermittelt. Der Bürgerkrieg kostete insgesamt rund zwei Millionen Menschen das Leben. Die Zentralregierung in Khartum hatte seit den achtziger Jahren versucht, dem gemischtreligiösen Süden das islamische Gesetz, die Scharia, aufzuzwingen. Von den rund 30 Millionen Sudanesen sind 65 Prozent Moslems, 24 Prozent Christen und elf Prozent Anhänger von Naturreligionen.

Huber: Darfur nicht vergessen

Laut Huber darf auch der weiter anhaltende Bürgerkrieg in der westsudanesischen Provinz Darfur nicht von der Tagesordnung der Welt verschwinden. Dort kämpfen regierungsnahe arabische Janjaweed-Milizen (Bewaffnete Reiter) seit Anfang 2003 gegen die überwiegend schwarzafrikanische Bevölkerung. Solange die Zentralregierung ihre Beteiligung am Konflikt nicht beende, dürfe es keine Entwicklungszusammenarbeit mit dem Norden des Sudan geben, forderte der EKD-Ratsvorsitzende. Kritisch äußerte er sich zur Einführung des islamischen Gesetzes, der Scharia, im Norden des Sudans. Es verbietet unter anderem den Übertritt vom Islam zum Christentum. „Die Vorstellung von der Geltung der Scharia als Gesetz ist nicht mit den Menschenrechten vereinbar“, so Huber. Auch im Nordsudan lebten Christen. Kurz vor seiner Reise sei dort eine lutherische Kirche niedergebrannt worden.

Bessere Koordination der internationalen Hilfe

Aufgabe der Kirchen in Europa sei es, den sudanesischen Kirchen bei der Herausbildung stabiler Strukturen zu unterstützen, die ihre Beteiligung am Friedensprozeß unterstützen könnten. „Es gibt keine Alternative zum Friedensprozeß und der aktiven Beteiligung der Kirchen daran“, so Huber. Daneben werde sich die EKD weiter über die Arbeit des Evangelischen Entwicklungsdienstes und des Hilfswerks „Brot für die Welt“ im Sudan engagieren. Nötig sei eine insgesamt bessere Koordination der internationalen Hilfe. Im Sudan gebe es offenbar eine der weltweit höchsten Dichten der Vertreter von UN- und Nichtregierungs-Organisationen. Er sei sich „nicht ganz sicher gewesen, ob der daraus resultierende Effekt dem Ausmaß ihrer Präsenz im Land entspricht“. Die Kirchen müßten bei der Koordination mit gutem Beispiel vorangehen.

28. November 2005 (idea)



Bischof Huber: Lage im Südsudan nicht aus Blick verlieren

Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat die internationale Gemeinschaft zu mehr Engagement im Südsudan aufgefordert. Sich ausschließlich auf die Lage in der Krisenregion Darfur im Westen des Landes zu konzentrieren sei nach seiner Überzeugung falsch, sagte Huber am Montag in Berlin im Anschluss an eine Sudanreise. Die Umsetzung des vor rund zehn Monaten geschlossenen Friedensvertrages für den Südsudan sei "noch nicht einmal in Angriff genommen".

In der gegenwärtigen Situation sei es aber auch vollkommen berechtigt und notwendig, Darfur im Blick zu haben, sagte der Ratsvorsitzende. Der Bürgerkrieg dort müsse beendet werden. Keine der Konfliktparteien habe die Lage mehr im Griff. Daher sei weiterhin internationaler Druck nötig. Huber zeigte sich zuversichtlich, dass die Kirchen zum Versöhnungsprozess und zum Aufbau einer Zivilgesellschaft im Sudan beitragen könnten. "Es gibt keine Alternative zum Friedensprozess", sagte er.

Kritisch äußerte sich Huber über die große Anzahl nichtstaatlicher Hilfsorganisationen im Land. Im Sudan gebe es zu viel unkoordinierte Hilfsaktivitäten. Das, was an Hilfe wirklich notwendig sei, werde oft gar nicht geleistet. Ein gutes Beispiel dagegen sei das "Sudan Oecumenical Forum", in dem evangelische und katholische Kirche ihre Hilfseinsätze gut koordinierten. Insgesamt müsse aber mehr getan werden.

Huber appellierte an die neue Bundesregierung, entwicklungs- und außenpolitisch die notwendige Unterstützung für den Friedensprozess zu leisten. Der Ratsvorsitzende war eine Woche lang mit einer EKD-Delegation im Sudan unterwegs, wo er Flüchtlingslager und Kirchengemeinden besuchte. Zudem war er zu politischen Gesprächen mit Regierungsvertretern und Parlamentariern zusammengekommen.

28. November 2005 (epd)



Die starken Frauen von Darfur

Mit Taten statt Worten wollen Friedensaktivistinnen die Krise im Westen des Sudans überwinden

Von Marc Engelhardt (epd)

Khartum (epd). Maryam Takas hatte die Demonstration ordnungsgemäß angemeldet. Hunderte Frauen waren ihrem Aufruf gefolgt, in einem Trauermarsch durch El Geneina im Westen Darfurs die Gewalt gegen Frauen in dem seit fast drei Jahren währenden Konflikt anzuprangern. Dann erschienen sudanesische Soldaten und stoppten die Protestaktion. "Sie haben behauptet, die Sicherheitslage sei zu schlecht, aber in Wirklichkeit wollen die Behörden verhindern, dass wir die katastrophale Situation der Frauen öffentlich machen", erklärt Takas.

Entmutigen lässt sie sich davon nicht. Takas und die anderen Frauen im "Bürgerforum für Dialog und friedliches Zusammenleben in Darfur" sind solche Rückschläge gewohnt. Manchmal werden Aktivistinnen für Tage ins Gefängnis gesteckt, nur weil sie bei einer Versammlung geredet haben. Im ersten Stock eines kleinen Bürohauses in der sudanesischen Hauptstadt Khartum schildern die Frauen ihre Lage einer Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unter Leitung des Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber.

"Frauen und ihre Kinder sind vom Konflikt in Darfur so schlimm betroffen wie niemand sonst", bilanziert Aicha, die neben Maryam Takas am Tisch sitzt. Selbst in den Auffanglagern, wo die meisten der zwei Millionen Flüchtlinge des Bürgerkriegs leben, seien sie trotz Schutztruppen der Afrikanischen Union nicht vor Übergriffen sicher. Viele würden das Opfer von Übergriffen, wenn sie nur wenige Meter vom Lager entfernt nach Brennholz suchten.

Andere Frauen, die bei Überfällen der von der Regierungsarmee gestützten Dschandschawid-Milizen vergewaltigt worden seien, lebten in den Lagern als Ausgestoßene, weil sie illegitime Kinder zur Welt gebracht hätten. "Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Frauen ihre Rechte nicht kennen." Erst 1972, so Takas, sei in Darfur die erste Mädchen-Schule eröffnet worden. Schulbildung sei bis heute vor allem Männern vorbehalten.

Ebenso wie die Politik, wettert Safaa Elagib, die einige Straßen weiter in Khartum das Darfur-Friedensforum leitet. In diesen Tagen beginnt in Nigerias Hauptstadt eine neue Runde der Darfur-Friedensgespräche. "Und wer sitzt am Tisch? Alte Männer!" In einer Deklaration, die sudanesische Frauengruppen an den UN- Sonderbeauftragten Jan Pronk gerichtet haben, fordern sie die Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Verhandlungen - und einen Frauenanteil in allen Delegationen von mindestens 30 Prozent.

"Auch in den Flüchtlingslagern muss Frauen ein Mitspracherecht garantiert werden", fordert Elagib, die selbst aus dem Westen Darfurs stammt. Um Frauen besser zu schützen, müsse die Afrikanische Union zudem mehr Soldatinnen nach Darfur senden. Auch bei den UN müssten mehr Frauen zum Zuge kommen. Elagib hofft zudem auf Unterstützung der Kirchen, um Frauen aus Darfur als Mediatoren auszubilden - obwohl in Darfur fast ausschließlich Muslime leben. "Die Kirchen haben die nötigen Erfahrungen in diesem Bereich", sagt sie.

Bischof Huber ist von der Kraft der Aktivistinnen in der patriarchalischen Gesellschaft des Sudan beeindruckt: "Die Einsicht, dass Frieden elementar von den Frauen abhängt, ist auch im Sudan wahr." An Ideen dafür fehlt es den Frauen jedenfalls nicht. Als neueste Mitstreiterinnen hat Takas graduierte Studentinnen aus Darfur aufgetan, die an der Universität von Khartum gestrandet sind. Die Frauen mit unterschiedlichen ethnischen Wurzeln sollen demnächst als Moderatorinnen im UN-Radio für Frieden und Frauenrechte werben.

28. November 2005 (epd)


Bischof Huber sieht noch keinen sicheren Frieden im Südsudan

EKD-Ratsvorsitzender beendete einwöchige Sudanreise - (epd-Interview/Wortlaut)

Khartum (epd). Fast elf Monate nach Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen Nord- und Südsudan hat Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), kirchliche und politische Führer in beiden Landesteilen getroffen. Im Rahmen seiner einwöchigen Sudan-Reise, die am Sonntag endete, besuchte Huber die Hauptstadt Khartum sowie das im langen Bürgerkrieg umkämpfte Juba, die heutige Hauptstadt des Südsudan. Mit dem Berliner Bischof sprach epd-Korrespondent Marc Engelhardt:

epd: Wie schätzen Sie die Chance ein, dass es nach dem im Januar unterzeichneten Abkommen endlich Frieden im Südsudan geben wird?

Huber: Ich bin nach meiner Reise unsicherer als zuvor, ob ein dauerhafter Frieden im Südsudan wirklich gelingen wird. Der Nord-Süd- Konflikt ist für mich noch nicht beigelegt. Auf jeden Fall braucht der Südsudan genauso viel internationale Beachtung wie die anderen Krisenregionen im Sudan, etwa Darfur. Es ist erschütternd, wie viel blanke Armut im Süden herrscht. Es fehlt zudem an Infrastruktur und qualifiziertem Personal für die anstehenden Aufgaben.

Das zwischen Khartum und der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee ausgehandelte Friedensabkommen ist zweifellos der richtige Weg, aber es ist keineswegs sicher, dass die Umsetzung gelingt. Eine Voraussetzung für den Frieden ist auf jeden Fall, dass für die Bevölkerung im Süden schnelle Erfolge sichtbar werden, wirtschaftlichen Fortschritt eingeschlossen.

epd: Der Bürgerkrieg im Südsudan begann, als die islamistische Regierung im Norden die Scharia auch im vorwiegend christlichen Süden einführen wollte. Ist die im Friedensvertrag versprochene Religionsfreiheit heute schon Realität?

Huber: Die Kirchen im Sudan sagen deutlich: Nein. Ihre Vertreter haben mir berichtet, dass immer noch Kirchengebäude niedergebrannt und Anhänger christlicher Glaubensgemeinschaften unter der islamischen Scharia-Gesetzgebung verhaftet werden. Ich habe mich gefreut, dass der sudanesische Parlamentspräsident, selber ein Moslem aus dem Norden, die bedingungslose Religionsfreiheit nachdrücklich als Ziel der Regierung bekräftigt hat. Realität ist sie bis heute aber nicht.

epd: Wie schätzen sie die Chancen auf Versöhnung zwischen den Bürgerkriegsparteien ein?

Huber: Ohne Versöhnung wird es keinen Frieden geben. Die Konflikte zwischen den arabischstämmigen Sudanesen vor allem in Khartum und afrikanischen Ethnien in der Peripherie haben eine mindestens 50- jährige Geschichte, die nie aufgearbeitet worden ist. Das muss aus meiner Sicht dringend nachgeholt werden, um das tiefe Misstrauen zu überwinden, dass ich bei den Menschen im Südsudan erlebt habe. Der Nord-Süd-Konflikt muss auch emotional überwunden werden. Dazu braucht es dringend glaubwürdige Anwälte der Versöhnung - eine Aufgabe, die etwa in Südafrika Desmond Tutu und Nelson Mandela übernommen haben. Hier steht der Norden nach meiner Überzeugung in einer besonderen Verantwortung.

epd: Welche Rolle sollten die Kirchen im Versöhnungsprozess spielen?

Huber: Die Kirchen haben zwei einzigartige Stärken: Zum einen können sie die Menschen zu einer Zuversicht ermutigen, die nicht an der Widrigkeit der Umstände zerbricht. Zum anderen befähigen Kirchen ihre Anhänger dazu, ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen und zugleich Verantwortung für andere zu übernehmen. Konkrete humanitäre Hilfe muss natürlich auch geleistet werden, und zwar ohne Ansehen von Herkunft oder Religion.

Die kirchlichen Hilfswerke auch aus Deutschland machen da bereits sehr viel. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Lage und der Gefahr neuer gewaltsamer Auseinandersetzungen muss diese Hilfe aber unbedingt verbessert werden, vielleicht auch durch eine effektivere Koordination. Die Kirchen müssen zudem die Entwicklungen im Südsudan genau beobachten und unbestechliche Anwälte für die Einhaltung von Menschenrechten sein.

epd: Welches Bild haben Sie nach Ihrer Reise vom Darfur-Konflikt im Westen Sudans, wo seit 2003 etwa zwei Millionen Bewohner vertrieben wurden und bis zu 180.000 Menschen ums Leben gekommen sind?

Huber: Der Darfur-Krise ist ebenso brisant wie die Lage im Südsudan. In den Gesprächen hier habe ich zudem den Eindruck gewonnen, dass beide Konflikte ähnliche Ursachen haben. Wenn die Regierung in Khartum den Bewohnern Darfurs ein weitgehendes Maß an Eigenständigkeit und Rechten zugestehen würde, könnte die Krise schnell beendet sein.

epd: In Darfur kämpfen, anders als im Südsudan, Moslems gegen Moslems. Haben die Kirchen da überhaupt eine Rolle einzunehmen?

Huber: Selbstverständlich. Kirchen engagieren sich bei humanitären Tragödien, unabhängig davon, ob Christen betroffen sind oder nicht. Wahr ist allerdings, dass den Kirchen in diesem Fall die Gemeinden vor Ort als Kooperationspartner für längerfristige Entwicklungsarbeit fehlen. An Darfur zeigt sich für mich im Übrigen besonders deutlich, dass Religionsunterschiede für die Krisen im Sudan nicht die ausschlaggebende Rolle spielen - dabei schließe ich auch den Süden ein. Die Konflikte beziehen sich im Kern auf Ressourcen und deren Verteilung. Es geht darum, dass eine Elite in Khartum die Reichtümer des Landes für sich ausbeuten möchte. Die Konflikte haben zudem eine ethnische Komponente.

epd: Was nehmen Sie von Ihrer ersten Afrika-Reise als EKD- Ratsvorsitzender mit zurück nach Berlin?

Huber: Der Sudan, seine Probleme und seine Menschen sind mir näher gerückt. Ich bin in der Ansicht bestätigt worden, dass wir in Deutschland und in der EU eine neue, stärkere Rolle in Afrika spielen müssen. Begeistert hat mich die Fröhlichkeit und der Lebensmut der Sudanesen, trotz aller Widrigkeiten. Davon könnten sich manche, die bei uns jammern, eine ganz große Scheibe abschneiden.

27. November 2005 (epd)



Vize-Präsident Kiir warnt vor Aufständen im Norden des Sudan

Juba (epd). Der neue Vizepräsident des Sudan, Salva Kiir, hat vor Aufständen im Norden des Landes gewarnt. In den Regionen an der Grenze zu Ägypten drohe eine ähnliche Krise wie im westsudanesischen Darfur und im Osten des Sudan, sagte Kiir in einem Gespräch mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, in der südsudanesischen Hauptstadt Juba. Die sudanesische Regierung vernachlässige ländliche Regionen, was zu den Aufständen für Gleichheit und Gerechtigkeit geführt habe.

Kiir ist nach dem im Januar geschlossenen Friedensabkommen zwischen der Regierung und der «Sudanesischen Volksbefreiungsarmee» (SPLA) Vizepräsident des Sudan und gleichzeitig Präsident des autonomen Südsudan. Er kündigte an, die vom ihm geführten SPLA werde in den Konflikten vermitteln. Huber bereist noch bis Sonntag den Sudan. Er trifft bei seinem Aufenthalt mit politischen und religiösen Anführern im islamischen Norden und im christlich-animistischen Süden zusammen.

Bei der Umsetzung des Friedensabkommens im Süden, sagte Kiir weiter, seien nur langsam Fortschritte zu erkennen. Weite Teile des Südsudans seien fast ein Jahr nach dem Friedensschluss weiter unterentwickelt. Dies könne auf Dauer die Einheit des Landes gefährden. Kiir bekräftigte, die Rechte der islamischen Minderheit im überwiegend christlichen Südsudan zu achten.

Huber forderte Kiir auf, als sudanesischer Vizepräsident für die gleiche Religionsfreiheit von Christen im Norden zu sorgen. Zugleich betonte er die wichtige politische Rolle der Kirchen im Südsudan in der derzeitigen Lage. «Es ist die Verantwortung der Kirchen, besonders in schwierigen Situationen an der Seite der Schwachen und Benachteiligten zu stehen.» Dabei dürfe sich Religion aber nicht politisch instrumentalisieren lassen.

Der 20-jährige Bürgerkrieg zwischen dem mehrheitlich islamischen Norden des Sudan und dem vorwiegend christlichen Südsudan war im Januar mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens beigelegt worden. Im Sudan leben rund fünf Millionen Christen.

25. November 2005 (epd)


Zwischen Misstrauen und Hoffnung

Auf seiner Reise durch den Sudan erlebt der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber ein zerrissenes Land

Von Marc Engelhardt (epd)

Khartum (epd). Der scharfe Wind bläst rote Erde durch das offene Fenster im Behandlungszimmer von Kendiende Mabuor. Der Arzt wischt den Staub vom Tisch, während er dem Besucher aus Deutschland die Lehmhütten in einem der Elendsviertel von Khartum zeigt. «Hier leben mehr als 80.000 Menschen, fast alle Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Südsudan.» Vor der Tür warten die Patienten. Viele von ihnen, so Mabuor, kommen von weit her in das von den Kirchen getragene Hospital, weil sie den staatlichen Krankenhäusern nicht trauen.

Vom Misstrauen gegenüber der Regierung hört der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, auf seiner Reise durch den Sudan immer wieder. Fast elf Monate nach Unterzeichnung des Abkommens, das den mehr als zwanzigjährigen Bürgerkrieg zwischen dem mehrheitlich islamischen Norden und dem überwiegend christlichen Süden offiziell beendet hat, ist vom versprochenen Aufbruch in eine gemeinsame Zukunft wenig zu spüren. Die Kirchen fühlen sich nach wie vor verfolgt.

«Die Unterdrückung der christlichen Minderheit geht weiter», urteilt Mark Akec, der amtierende Generalsekretär der Sudanesischen Kirchenkonferenz. Während die islamische Regierung von Präsident Omar Hassan el Baschir die Kirchen im Süden notgedrungen akzeptiere, würden im Rest des Landes die Daumenschrauben umso fester angezogen. So spreche Baschirs Lager inzwischen offen darüber, in Khartum die islamische Scharia auch für Christen beizubehalten - obwohl der Friedensvertrag dies untersagt. Am Plan, die Scharia aufs ganze Land auszudehnen, hatte sich der Bürgerkrieg erst entzündet.

Andere Vertreter der zwölf Kirchen, die im Sudanesischen Kirchenrat zusammen geschlossen sind, berichten von willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und der Brandstiftung in einer lutherischen Kirche. «Baschir möchte die Christen aus dem Norden vertreiben, und zwar mit allen Mitteln», warnt der Kirchenrats-Vorsitzende Musa Kodi.

Davon wären auch gut zwei Millionen Flüchtlinge betroffen, die wie Mabuors Patienten im tristen Armengürtel rund um Khartum leben. Viele von ihnen würden gerne zurück in die Heimat, trauen sich aber wegen anhaltender Gefechte und der unklaren Lage nicht. «In dieser Situation werden die Kirchen als Halt benötigt», sagt Kodi. Eine Botschaft, die auch Huber teilt: «Die Kirchen haben im Friedensprozess eine wichtige Rolle gespielt, jetzt geht es darum, dass wir zur Versöhnung und zur Heilung der entstandenen Wunden beitragen.»

Die gibt es auf beiden Seiten: Die mehr als vier Millionen Christen im Land, rund zwölf Prozent der Bevölkerung, standen im Bürgerkrieg unter Generalverdacht, Separatisten und Sympathisanten der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) zu sein. Auf der anderen Seite wurden viele der überwiegend gemäßigten Muslimen im Land nach dem Putsch Baschirs im Juni 1989 für dessen radikale Politik mitverantwortlich gemacht.

Hinzu kommen die Menschenrechtsverletzungen in anderen Teilen des größten Landes Afrikas. Nicht nur in Darfur, wo bislang zwei Millionen Menschen vertrieben und bis zu 180.000 ums Leben gekommen sein sollen, auch im Osten des Landes brodelt es. Für die Kirchen sieht Huber hier eine weitere Aufgabe. «Wir müssen die Erfahrungen aus dem Friedensprozess für den Süden nutzen, um die Gewalt zu beenden und diese Konflikte zu lösen», fordert der Ratsvorsitzende.

24. November 2005 (epd)


Huber ruft sudanesische Kirchen zu Einigkeit für den Frieden auf

Khartum (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, hat die Kirchen im Sudan dazu aufgerufen, geeint für den Frieden im Süden des Landes einzutreten. «Nur gemeinsam in der Ökumene können die jetzt nötige Versöhnung und das Heilen der im Bürgerkrieg verursachten Wunden gelingen», sagte der Berliner Bischof am Dienstag zum Auftakt einer einwöchigen Sudan-Reise.

Vor dem Sudanesischen Kirchenrat in Khartum betonte Huber, die Kirchen hätten bei der Lösung des mehr als 20-jährigen Konflikts eine wichtige Rolle gespielt. Zugleich bedauerte er die anhaltenden Kämpfe und Menschenrechtsverletzungen in anderen Teilen des größten Landes Afrikas, unter anderem in des westlichen Region Darfur. Huber rief alle Konfliktparteien auf, die Gewalt zu beenden und zu Gesprächen zusammen zu kommen.

Der Vorsitzende der Sudanesischen Kirchenkonferenz, Musa Kodi, bekräftigte, die Kirchen im überwiegend islamischen Sudan müssten jetzt mehr zusammen stehen denn je. Viele der rund zwei Millionen Flüchtlinge im Land hätten Angst, in den Süden zurückzukehren, und benötigten christlichen Beistand. Kodi bemängelte zugleich, die Zentralregierung in Khartum verzögere die Umsetzung des im Januar unterzeichneten Friedensvertrages und gefährde so den Frieden.

22. November 2005 (epd)


EKD-Ratsvorsitzender Huber reist in den Sudan

Hannover (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, reist am Montag in den Sudan. Im Mittelpunkt des einwöchigen Besuchs steht die aktuelle Situation nach dem Friedensschluss im Südsudan, wo 22 Jahre lang Bürgerkrieg geherrscht hatte, wie die EKD am Donnerstag in Hannover mitteilte. Huber wird sich in der Hauptstadt Khartum und in der südsudanesischen Stadt Juba aufhalten.

Der Ratsvorsitzende will den Angaben zufolge die Kirchen im Sudan in ihrem Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit bestärken. Zugleich soll die Bereitschaft der EKD bekräftigt werden, die sudanesischen Kirchen beim Wiederaufbau und bei der Rückkehr von Flüchtlingen zu unterstützen. Begleitet wird Huber unter anderem vom EKD-Ratsmitglied Gerrit Noltensmeyer, dem früheren Landessuperintendenten der Lippischen Landeskirche.

Vor zehn Monaten hatten die SPLA/M-Rebellen im Südsudan und die Regierung nach zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg einen Friedensvertrag geschlossen. Es wurde eine Übergangsregierung gebildet. Der Süden erhielt eine Teilautonomie und soll in sechs Jahren über eine Unabhängigkeit abstimmen können. Im Westen des Sudan dauert dagegen der Darfur-Konflikt zwischen regierungstreuen Milizen und Aufständischen an. Friedensgespräche in Nigeria sind kürzlich gescheitert. Vor der Gewalt sind zwei Millionen Menschen geflüchtet.

18. November 2005 (epd)


Pressemitteilung der EKD vom 17. November

1. Bericht des EKD-Pressesprechers von der Sudanreise

2. Bericht des EKD-Pressesprechers von der Sudanreise

3. Bericht des EKD-Pressesprechers von der Sudanreise