Huber: Wir gehen auf eine Ökumene der Profile

Während des Weltjugendtages trifft der EKD-Ratsvorsitzende den Papst

11. August 2005


Berlin (epd). Während des katholischen Weltjugendtages in Köln wird Papst Benedikt XVI. mit Vertretern anderer Konfessionen zusammentreffen, unter anderen mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber. Davon erwarte er sich einen Impuls für die Ökumene, sagte der Berliner Bischof in einem epd-Interview. Mit Huber sprach Stefan Fuhr.

epd: Bischof Huber, der katholische Weltjugendtag ist ein Großereignis, das weltweite Aufmerksamkeit erregen wird. Ist man da als evangelischer Christ nicht ein bisschen neidisch?

Huber: Im Verhältnis der christlichen Kirchen zueinander gilt: Wenn ein Glied sich freut, dann freuen sich alle Glieder mit. Der Weltjugendtag ist kein Anlass zum Neid, sondern zur Mitfreude. Hier in Deutschland haben wir auf der evangelischen Seite gerade das große Ereignis des Evangelischen Kirchentages in Hannover hinter uns. Ich weiß, dass daran auch viele Katholiken Freude hatten. So freuen wir uns auch über den Weltjugendtag.

epd: Kann auch die evangelische Kirche von der Aufmerksamkeit für den Weltjugendtag profitieren?

Huber: Es ist vollkommen richtig, dass in einem solchen Fall die Aufmerksamkeit weit über den Bereich der römisch-katholischen Kirche hinausgeht. Das ist auch bei den Papstereignissen in diesem Jahr so gewesen. Wenn Christen sich aus diesem Anlass ihres eigenen Christseins und ihrer eigenen christlichen Verwurzelung vergewissern, dann ist das zu begrüßen. Auch vielen evangelischen Christen ist in den Ereignissen dieses Jahres neu bewusst geworden, wo sie zu Hause sind. Es gehört zu den positiven Erfahrungen des Jahres, dass wir die unterschiedlichen christlichen Profile wieder deutlicher wahrnehmen. Wenn ich die Zeit richtig deute, dann gehen wir auf eine Ökumene der Profile zu und nicht etwa auf eine Ökumene der unterschiedslosen Gleichheit.

epd: Werden sich dadurch nicht neue Reibungspunkte ergeben?

Huber: An wichtigen Punkten werden die Unterschiede deutlich wahrnehmbar. Ob das ein Anlass ist, sich zu reiben oder sich in seiner Unterschiedlichkeit wechselseitig zu achten, hängt davon ab, wie man mit diesen Unterschieden umgeht. Die Absicht, Reibungen zu vermeiden, darf uns nicht daran hindern, die schwierigen Fragen anzupacken. Wir können beispielsweise der Frage nach der Gemeinschaft im Gottesdienst nicht ausweichen. In Deutschland haben wir dazu einen wichtigen Anlass. Es ist der Zweite Ökumenische Kirchentag, der für das Jahr 2010 in Aussicht genommen ist.

epd: Im Vorfeld des Weltjugendtages hat es einige Irritationen zwischen der evangelischen Kirche und dem Vatikan gegeben. Lange Zeit stand der Termin für eine Begegnung Benedikts XVI. mit Vertretern anderer Konfessionen nicht fest. Von einem «stotternden Ökumene-Motor» war die Rede. Sind die Irritationen inzwischen ausgeräumt?

Huber: Der Weltjugendtag ist eine Veranstaltung der römisch-katholischen Kirche. In diesem Rahmen kommt es zu einer Begegnung mit dem Papst. Darüber freuen wir uns. Über die Frage, wann das bekannt geworden ist, braucht man im Nachhinein nicht mehr zu grübeln.

epd: Es hat immerhin einige verstimmte Bemerkungen auf der evangelischen Seite gegeben - offenbar wurde schon ein bisschen gegrübelt.

Huber: Vor allem vor Ort, wo die aktive Mithilfe der evangelischen Kirche erwartet wird, ist es besonders verständlich, wenn auch gefragt wird, ob man denn als Gast willkommen sei. Darüber hinaus sind in der Vorbereitung der Begegnung mit Papst Benedikt XVI. Verfahren verwendet worden, die abweichen von dem, was beispielsweise beim Besuch von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1996 praktiziert worden ist. Das wird man nach dieser Begegnung besprechen müssen.

epd: Der EKD-Auslandsbischof Rolf Koppe hat erklärt, der Weltjugendtag sei für evangelische Jugendliche nicht geeignet. Was empfehlen Sie den evangelischen Jugendlichen?

Huber: Evangelische Jugendliche, die sich bei diesem Weltjugendtag willkommen fühlen, werden ganz gewiss daran teilnehmen können. Allerdings handelt es sich nicht um eine ökumenische Veranstaltung, an der sie «auf Augenhöhe» beteiligt sind, sondern um ein katholisches Ereignis, bei dem sie gegebenenfalls zu Gast sind. Die katholische Eucharistie-Feier steht im Zentrum dieses Ereignisses; dabei ist die Teilnahme nicht-katholischer Christen nicht vorgesehen. Das müssen sich evangelische Christen bewusst machen.

epd: Welche Erwartungen haben Sie an Ihre Begegnung mit dem Papst?

Huber: Es wird ein knappes Treffen. Ich hoffe aber, dass wir uns sowohl über den Geist als auch über bestimmte Themen verständigen, die bei der weiteren gemeinsamen ökumenischen Arbeit Vorrang haben sollen. Einen solchen Impuls erhoffe ich mir von dieser Begegnung.
Mehr als ein Impuls kann es natürlich nicht sein, die konkrete Arbeit muss sich daran anschließen.

epd: Was für konkrete Aufgaben könnten das sein?

Huber: Wenn ich von einem bestimmten Ereignis einen Impuls erwarte, dann ist es nicht besonders sinnvoll, diesen Impuls schon vorher zu beschreiben.

epd: Nach der Wahl Benedikts XVI. haben Sie gesagt, mit Joseph Ratzinger sei ein Papst gewählt worden, der das ökumenische Gespräch im Land der Reformation gut kenne. Was ist ihre erste Zwischenbilanz nach den ersten 100 Tagen des Pontifikats?

Huber: Die Vorstellung, dass man nach 100 Tagen Bilanz ziehen kann, stammt aus der Politik, wo Menschen für vier Jahre in ein Amt gewählt werden. Im Blick auf die Aufgaben eines Papstes ist diese Zeitdimension verkehrt. Jetzt kann man die Schwerpunkte noch nicht erkennen. Seine erste Auslandsreise ergibt sich zwar aus dem Weltjugendtag, sie führt ihn aber eben nach Deutschland, ins Land der Reformation. Das ist ein Signal. Es gibt aber noch keine Enzyklika des neuen Papstes, aus der man ersehen könnte, welche theologischen Schwerpunkte er setzt. Die Ankündigung, dass die ökumenische Gemeinschaft der Kirchen für ihn eine hohe Priorität hat, ist noch nicht durch konkrete Initiativen verdeutlicht worden. Insofern halte ich es jetzt für zu früh, schon die Richtung zu beschreiben, in die er gehen wird.

epd: Wie wichtig sind Großereignisse wie der Weltjugendtag für die religiöse Bindung Jugendlicher?

Huber: Sie helfen dabei, dass Jugendliche sich für Fragen des Glaubens und der Religion öffnen. Ob daraus eine Bindung entsteht, hängt ganz von der Frage ab, was auf das «Event» folgt. Das Ereignis als solches ist noch keine zureichende Basis für eine längerfristige religiöse Bindung. Es muss sich verknüpfen mit Erfahrungen im eigenen Leben und im eigenen Alltag.

epd: Auf welche Erfahrungen kommt es dabei an?

Huber: Für einen Jugendlichen ist zum Beispiel entscheidend, dass er zu Hause eine Verbindung zur Gemeinde hat, dass es eine Jugendgruppe gibt, die sich auch mit Glaubensfragen beschäftigt. Zum «Event» muss eine Erdung hinzukommen, damit daraus eine längerfristige Glaubensorientierung wird.

epd: Ist die Papst-Euphorie unter katholischen Jugendlichen eine kurzlebige Mode oder wenden sich junge Menschen tatsächlich verstärkt dem Glauben zu?

Huber: Es gibt unter jungen Menschen eine neue Hinwendung zum Glauben, nicht nur innerhalb der römisch-katholischen Kirche. Unter anderem hat sie sich an den Papstereignissen in diesem Jahr entzündet, sie hat darin aber nicht ihre Wurzeln. Insbesondere Johannes Paul II. hat durch seine charismatische Persönlichkeit und durch seinen Umgang mit der körperlichen Hinfälligkeit am Ende seines Lebens die Verehrung von Jugendlichen auf sich gezogen. Das gilt unabhängig davon, dass dieser Papst in vielen wichtigen Fragen für Positionen stand, die überhaupt nicht die Positionen der Jugendlichen sind, etwa in Fragen verantworteter und gelebter Sexualität. Bei Papst Benedikt XVI. muss man erst noch abwarten, in welcher Weise er die Herzen der Jugendlichen gewinnen will. Er hat zunächst einmal Teil an der Begeisterung, die sich mit dem Papstamt als solchem verbindet. Diese Begeisterung können wir als evangelische Kirche gelassen wahrnehmen. Unsere Stärke ist gerade, dass die Kirche sich zu ihrem einen Herrn bekennt, aber nicht nur durch einen Menschen spricht. Zu unserer Stärke gehört es, dass auch Frauen am kirchlichen Leitungsamt gleichberechtigt beteiligt sind. Dieses Profil wird auch von vielen Jugendlichen als wichtig und ermutigend wahrgenommen.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd), 11. August 2005