Integration erfordert Offenheit – von allen Seiten

Präses Anette Kurschus kritisiert Einschränkungen des Asylrechts

Evangelische Kirche von Westfalen

03. Mai 2016

Präses Annette Kurschus hat für eine menschliche Flüchtlingspolitik geworben und Einschränkungen des Asylrechts kritisiert. Gleichzeitig betonte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen, dass hier lebende Menschen auch bereit sein müssten, die offene Gesellschaft anzuerkennen. „Die Religions- und Meinungsfreiheit, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die anderen Grundrechte sind nicht verhandelbar. Das muss, wenn nötig, hier angekommenen Menschen aus anderen Kulturkreisen mit allem Nachdruck gesagt werden“, erklärte Kurschus am Montag (2.5.) in Dortmund vor Journalisten.

In den Flüchtlingsunterkünften müssten klare Standards gelten. Frauen und Kinder seien besonders vor Gewalt zu schützen, ebenso Minderheiten.

„Es ist unerträglich, wenn Christen, die in ihrer Heimat wegen ihres Glaubens verfolgt wurden, hier wieder bedroht und misshandelt werden.“ Ausländerbehörden, Betreiber der Unterkünfte, Sicherheitsdienste und Polizei müssten eng zusammenarbeiten, um die Religionsfreiheit zu gewährleisten. „Hilfreich wäre hier auch ein klares Eintreten in Wort und Tat von Islamverbänden und benachbarten Moscheegemeinden“, erklärte die Präses.

Die Herausforderungen der Flüchtlingssituation erforderten Geduld und einen langen Atem. Wenn die staatlichen Strukturen und das Gewaltmonopol des Staates stabil blieben und wenn die nötigen Mittel bereitgestellt würden, dann sei eine wesentliche Voraussetzung erfüllt. „Der Staat muss das Recht durchsetzen und die Werte des Grundgesetzes bewahren.

Jede Bürgerin und jeder Bürger unseres Landes muss sich überall sicher fühlen können.“ Doch Integration lasse sich nicht allein durch den Staat regeln, sondern gehe alle an: „Wenn Menschen aus anderen Kulturen, Religionen und mit einem anderen Verständnis von Gesellschaft hier auf Dauer leben wollen, erfordert das Offenheit und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen – von allen Seiten.“ Das im Februar beschlossene Asylpaket II sei nicht geeignet, das Ziel effektiver Verfahren zu erreichen: „Es führt zu mehr Bürokratie bei der Erstaufnahme von Asylsuchenden. Und es geht auf Kosten der Fairness und der Menschlichkeit.“ Integration müsse sofort nach der Ankunft beginnen. Dass Asylbewerber nach derzeitiger Praxis bis zu sechs Monate in der Erstaufnahme festgehalten werden könnten, bedeute in vielen Fällen ein halbes Jahr ohne Integrationskurse, ohne Schulpflicht für die Kinder, ohne Arbeitserlaubnis.

Es verstößt nach Überzeugung von Präses Kurschus auch gegen das individuelle Recht auf Asyl, wenn Geflüchtete nach Herkunftsländern eingeteilt werden: „Wenn in Menschen mit guter oder schlechter Bleibeperspektive vorsortiert wird, bleibt der Schutzbedarf des einzelnen Menschen auf der Strecke.“ Angesichts der vielen Menschen, die nach Europa drängen, bedürfe es einer europäischen Lösung. „Wenn sich Europa abschottet, verrät es seine eigenen Werte und Prinzipien. Wer unter Berufung auf das ‚christliche Abendland‘ die Angst vor Fremden schürt, handelt unredlich.“

Evangelische Kirche von Westfalen
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