Pflege mit der Stoppuhr? - Ein Altern in Würde braucht Zuwendung

Bischöfe sprechen von Herzenswärme und lebendiger Hoffnung statt Furcht - Gottesdienst zur Woche für das Leben 2016

Evangelische Landeskirche in Baden

18. April 2016

Karlsruhe/Freiburg. Für Herzenswärme und Zuwendung als „Kapital unserer Gesellschaft“ und gegen ein Reduzieren des Alters auf Abschied und Verlust haben sich Erzbischof Stephan Burger und Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh in einem ökumenischen Gottesdienst in der Christuskirche am Freitagabend (15.4.) in Karlsruhe ausgesprochen. Zum badischen Aktionstag im Rahmen der Woche für das Leben 2016 dankten die Bischöfe der katholischen und der evangelischen Kirche in Baden vor allem denjenigen, die sich - ehrenamtlich oder beruflich - dafür einsetzen, Menschen ein Altern in Würde zu ermöglichen.

Nach Überzeugung des Freiburger Erzbischof Stephan Burger lebt die Gesellschaft von Zuwendung und Herzenswärme. „Diese Werte können nicht mit Geldscheinen bezahlt werden. Sie sind aber das Kapital, das eine Gesellschaft wachsen lässt, zusammenhält und unersetzlich ist“, sagte er am Freitagabend. Die Pflege von Menschen in hohem Alter und die Gesundheitsversorgung von Hilfsbedürftigen sei nicht nur unter dem Aspekt der Kosten zu betrachten: „Pflege im abzurechnenden Minutentakt, Versorgung mit der Stoppuhr ist die Folge und das Ganze hochprofessionell protokolliert.“ Dass auch im Gesundheitswesen finanzielle Gewinne immer mehr in den Vordergrund gestellt würden, mache Menschen Angst. Im Gottesdienst verwies er darauf, dass auch „viele Pflegekräfte darunter leiden, unter Zeitdruck zu stehen.“ Sich Menschen persönlich in ihrer mitunter auch aussichtslosen Situation zuzuwenden und ihnen Zeit zu schenken, sei das Entscheidende.

„Wir neigen dazu, den Lebensabschnitt Alter auf Einschränkungen, Abschiede und Verluste zu reduzieren“, hatte Landesbischof Cornelius-Bundschuh zuvor gesagt. Viele fürchteten sich davor. Doch es gebe auch Entwicklungsperspektiven für das hohe Alter. „Im Angesicht ihrer Endlichkeit finden manche Menschen einen vertieften Zugang zu sich selbst und zur Welt; sie entwickeln neue spirituelle Einblicke und eine lebendige Hoffnung“, sagte der Landesbischof. Es gehe nicht um eine Gewinn- oder Verlustrechnung, sondern um einen realistischen, ganzheitlichen, individuellen Blick auf Menschen in ihrer besonderen Lebenslage: „Als Kirchen ist uns wichtig: In jeder Lebensphase sind wir auf Gott bezogen, wie bruchstückhaft wir unser Leben auch immer erleben.“ Zudem, so Erzbischof Burger, gebe es „die falsche Vorstellung, dass das Angewiesen-Sein auf Andere das Gegenteil wäre von Autonomie und Selbstbestimmung und eine Konsequenz allein des Alters.“ Wer so denke, blende aus, „dass jeder Mensch grundsätzlich auf andere angewiesen ist“ - in der Familie, am Arbeitsplatz, beim Einkauf.

Beide Bischöfe dankten und segneten ehrenamtlich Engagierte in der Altenarbeit, die mit ihrem Einsatz Teilhabe ermöglichten. „Sie stehen dafür ein, dass andere Menschen in Würde altern können“, betonte Landesbischof Cornelius-Bundschuh. ‚Du bist mir wertvoll‘ sei „das unverwechselbare Markenzeichen und Gütesiegel eines christlichen Umgangs mit den älteren und hilfsbedürftigen Menschen.“ Erzbischof Burger betonte: „Pflege heißt eben nicht nur „satt und sauber“!“ Es gelte „auch und vor allem, menschliche Beziehungen und freundschaftliche Kontakte zu pflegen.“ Christliche Zuwendung – nicht nur in Pflegeeinrichtungen, sondern mit Freunden, Bekannten, Verwandten und mit Menschen aus der Gemeinde“ setze „den Dienst vor den Verdienst“ und wisse „um den unbezahlbaren Wert eines freundlichen Lächelns, einer Geste der Menschlichkeit, eines kleinen, aufmunternden Wortes.“

Das sei es, so die beiden Bischöfe, was ein „Alter in Würde“ ausmacht – so das Leitwort der „Woche für das Leben 2016“. Dieses Leitwort wolle über diese Woche hinauswirken und helfen, sensibel zu sein im Umgang mit dem Alter und mit älteren Menschen: Zweifellos tue sich der moderne Mensch schwer, an seine Vergänglichkeit erinnert zu werden. Er wolle alt werden, aber nicht alt sein. Zweifellos sei es auch nicht einfach, die Herausforderungen des Alters anzunehmen und mit den zunehmenden körperlichen Schwächen umgehen zu lernen. Im Fokus der Kameras, in Werbung und Öffentlichkeit, in Business und Lifestyle stehe meist der gut aussehende, leistungsfähige, jugendliche Mensch im Mittelpunkt. Inzwischen habe die Werbung zwar auch die ältere Generation im Blick, die ihre leichteren Beschwerden mit ein paar Medikamenten in den Griff bekommen könne. Ein großer Teil der eigentlichen Realität wird dabei aber im wahrsten Sinne des Wortes „ausgeblendet“. Das Altern und Sterben gehöre zum Menschsein „wie der Herbst und der Winter zu den Jahreszeiten“.

Die Evangelische Kirche in Baden
www.ekiba.de