Aufnahme von Flüchtlingen ist Auftrag christlichen Handelns

Resolution der Landessynode zur aktuellen Flüchtlingssituation

Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck

26. Novembe 2015

In einer Resolution zur aktuellen Flüchtlingssituation hat sich die Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck eindeutig zur Aufnahme von Flüchtlingen positioniert. So heißt es wörtlich: „Für die Aufnahme von Flüchtlingen mit Wort und Tat zu sorgen, ist Auftrag christlichen Handelns.“

Vorerst eine Million Euro zur Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements

In der Verlautbarung wird gewürdigt, dass sich bereits seit vielen Monaten viele Haupt- und Ehrenamtliche für die Aufnahme und Begleitung von Flüchtlingen engagierten. Diese setzten sich für eine Willlkommenskultur ein und stellten sich fremdenfeindlichen Angriffen entgegen. „Sie geben damit ein lebendiges öffentliches Zeugnis christlicher Nächstenliebe.“ Um dieses vielfältige Engagement in den Gemeinden und in der Diakonie zu fördern, hat die Landessynode beschlossen, vorerst eine Million Euro zur Verfügung zu stellen.

Gemeinden sollen in ihrem Engagement nicht nachlassen

Die Landessynode bittet die Gemeinden, „in ihrem Engagement für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen nicht nachzulassen“. Dies könne unter anderem bedeuten, dass in den Gemeinden Unterkünfte für Flüchtlinge bereitgestellt würden. Das könne weiterhin heißen, dass in Gottesdiensten oder bei anderen Veranstaltungen über die Ursachen von Flucht und Vertreibung aufgeklärt und interkulturelle und interreligiöse Lernprozesse gefördert würden.

Flüchtlingsarbeit im Bildungsbereich soll gestärkt werden

Ebenfalls spricht sich die Landessynode für eine Stärkung der Flüchtlingsarbeit im Bildungsbereich aus. Sie bittet den Rat der Landeskirche, dafür einzutreten, dass die Tageseinrichtungen für Kinder bei der Aufgabe der Integration von Kindern aus Flüchtlingsfamilien unterstützt werden, dass Schulpfarrer und -pfarrerinnen ein Stundenkontingent für die Arbeit mit Flüchtlingen erhalten und dass in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen Plätze zur Beschulung und zur Qualifikation von Flüchtlingen bereitgestellt werden.


Die Resolution im Wortlaut:

Verlautbarung der Landessynode der EKKW zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland und der Europäischen Union

Die Aufnahme, Unterbringung und Integration der großen Zahl an Flüchtlingen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung  zu uns fliehen, ist eine der größten Herausforderungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Für die Aufnahme von Flüchtlingen mit Wort und Tat zu sorgen, ist Auftrag christlichen Handelns.

Das Recht Asyl zu suchen und zu genießen ist ein Menschenrecht. Die Landessynode tritt daher für die Erhaltung und Anwendung des gemeinsamen europäischen Asylrechtes in allen europäischen Ländern und die Aufnahme der Flüchtlinge als gemeinsame europäische Aufgabe ein. Die Flüchtlingsfrage in Europa lässt sich nicht durch Errichtung neuer Zäune und Mauern lösen. Die Landessynode dankt der Bundeskanzlerin für die Entscheidung, Schutzsuchenden in einer humanitären Ausnahmesituation die Aufnahme in Deutschland zu ermöglichen.

Die Landessynode dankt den vielen Helferinnen und Helfern, die sich ehrenamtlich und beruflich seit vielen Monaten unermüdlich für die Aufnahme und Begleitung von Flüchtlingen einsetzen, ihre Häuser öffnen, für eine Kultur des Willkommens werben und fremdenfeindlichen Angriffen entgegentreten. Sie geben damit ein lebendiges öffentliches Zeugnis christlicher Nächstenliebe.

Die Landessynode hat beschlossen, dieses vielfältige Engagement in Kirche und Diakonie zu fördern und stellt für die zahlreichen Initiativen in den Gemeinden, die Flüchtlinge begleiten und in ihrem Ankommen in unserer Gesellschaft unterstützen, vorerst 1 Million Euro zur Verfügung.

Die Landessynode bittet den Rat der Landeskirche dafür einzutreten,

  • dass Stellen zur Begleitung von ehrenamtlich Mitarbeitenden in der Flüchtlingsarbeit eingerichtet werden;
  • dass die Tageseinrichtungen für Kinder bei der Aufgabe der Integration von Kindern aus Flüchtlingsfamilien unterstützt werden;
  • dass Schulpfarrern und -pfarrerinnen ein Stundenkontingent für die Arbeit mit Flüchtlingen zur Verfügung gestellt wird;
  • dass in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen Plätze zur Beschulung und zur Qualifikation von Flüchtlingen bereitgestellt werden.

Die Landessynode bittet alle Gemeinden sowie die kirchlichen und diakonischen Einrichtungen:

  • ihr Engagement für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen weiterzuführen;
  • für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung zu beten;
  • geeigneten Wohnraum zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen;
  • interkulturelle und interreligiöse Lernprozesse zu fördern;
  • christliche Flüchtlinge als Glaubensgeschwister wahr- und anzunehmen;
  • Flüchtlinge in ihrer Eigeninitiative zu stärken und sie in das ehrenamtliche Engagement zu integrieren;
  • mit aufkommenden Ängsten in Gespräch und Seelsorge angemessen umzugehen;
  • soziale Notlagen auch unter Einheimischen sensibel wahrzunehmen und anwaltschaftlich für die Betroffenen einzutreten;
  • rassistischen Reden und Taten entschieden entgegenzutreten und sich an Initiativen gegen Fremdenhass zu beteiligen;
  • in Gottesdienst, Seelsorge, Unterricht und Bildungsveranstaltungen über die Ursachen von Flucht und Vertreibung aufzuklären und aus dem Evangelium Mut und Vertrauen zuzusprechen.

Die Synode schließt sich den Beschlüssen der EKD-Synode vom 8. bis 11.11.2015 in ihren Appellen an die Bundesregierung an, insbesondere

  • die uneingeschränkte Geltung des Rechtes auf Asyl sicherzustellen;
  • abgelehnte Asylsuchende nicht in Staaten zurückzuführen, in denen ihre Sicherheit nicht gewährleistet ist (z. B. Afghanistan);
  • den Schutzstatus der Flüchtlinge aus Syrien im bisherigen Umfang zu sichern
  • das Recht auf Familiennachzug wie bisher zu erhalten;
  • Hilfsorganisationen wie dem UNHCR die notwendigen finanziellen Mittel zur Versorgung der Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern der Herkunftsregionen zur Verfügung zu stellen;
  • Ursachen von Flucht und Vertreibung ernsthaft anzugehen;
  • durch eine kohärente deutsche Entwicklungs-, Wirtschafts- und Rüstungsexportpolitik für Demokratie und Menschenrechte in den Herkunftsländern einzutreten.

Darüber hinaus appelliert sie an die Kommunalverwaltungen alle Ansprüche aus den Sozialgesetzbüchern zu erfüllen, um einen Wettbewerb unter den schwächsten Gliedern der Gesellschaft zu verhindern.

Die Landessynode tritt für eine starke einheitliche Position aller Kirchen in Europa zur Aufnahme von Flüchtlingen ein und unterstützt darum die Forderung der Ökumenischen Konferenz Europäischer Kirchen an die Europäische Union, sichere Reisewege aus den Krisengebieten nach Europa zu schaffen und humanitäre Visa zu erteilen.

Ebenso schließt sich die Landessynode den Beschlüssen der EKD-Synode in ihren Appellen an die Europäische Union an, insbesondere

  • die Aufnahme von Flüchtlingen als gemeinsame europäische Aufgabe zu betrachten und eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge vorzunehmen, die die familiären, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Schutzsuchenden berücksichtigt;
  • die gemeinsamen Standards und Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems überall in Europa anzuwenden;
  • Schutzsuchenden sichere und legale Wege nach Europa zu eröffnen, z. B. durch ein verbindliches und großzügiges europäisches Neuansiedlungsprogramm.

Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung als Christen und Christinnen ist auch unser Gebet für die politisch Verantwortlichen, so dass sie mit Weisheit, Mut und Besonnenheit die aktuellen großen Herausforderungen bewältigen.

Morschen, 25.11.2015


Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck
www.ekkw.de