Geplante Freihandelsabkommen gefährden europäische Standards in Klimaschutz und Arbeitswelt

Die alternative Nobelpreisträgerin Maude Barlow sprach im Vorfeld des Pariser Klimagipfels

Evangelische Landeskirche in Baden

26. November 2015

Karlsruhe. Europa sollte sehr genau darüber nachdenken, ob es die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) unterzeichnet. Dies unterstrich die kanadische Bürgerrechtlerin Dr. Maude Barlow (Ottawa), Trägerin des Alternativen Nobelpreises, gestern im Lichthof des Karlsruher Evangelischen Oberkirchenrates. Auf Einladung der Evangelischen Akademie Baden diskutierte Barlow mit dem Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh (Karlsruhe), und Sven Giegold, Mitglied der Grünen Fraktion im Europaparlament, über die sogenannten Staats-Schiedsgerichte im Horizont des Klimagipfels in Paris. Das Podium stellte sich den kritischen Fragen Gabor Paáls, dem Leiter der Wissenschaftsredaktion im SWR-Hörfunk.

Maude Barlow warnte aufgrund der langjährigen leidvollen Erfahrungen, die Kanada mit dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) und Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) hat, vor einer deutlichen Verschlechterung von europäischen Standards und vor der Aushebelung von Parlamenten. Es sei in den Abkommen immer so, dass Abstriche von den höchsten Standards gemacht werden, egal welches Land sie hatte. In Kanada etwa seien nach NAFTA „die hohen Standards in Sachen Lebensmittelsicherheit und Umwelt alle nach unten abgeglichen worden". Die geplanten Freihandelsabkommen seien gut für die Reichen, aber nicht gut für die Mehrheit der Bevölkerung. "Ein dramatisches Anwachsen der Ungleichgewichte ist damit vorprogrammiert."
 
Barlow wies darauf hin, dass Kanada zurzeit wegen der Schieds-Klauseln in NAFTA auf 4,75 Milliarden Euro Schadenersatzforderungen von Investoren verklagt werde – und dabei kanadische Höchstgerichtsentscheide keine Rolle spielten. Sie verdeutlichte darüber hinaus, dass CETA und TTIP in Wirklichkeit ein zusammengehörendes Abkommen mit zwei Stufen sei: "Auch wenn TTIP nicht umgesetzt werden sollte, kommt TTIP auf Europa mit dem fast schon ratifizierten CETA-Abkommen mit Kanada gleichsam durch die Hintertüre, denn in Kanada sind alle US-Konzerne schon vertreten und agieren von dort." Barlow riet Europa dringend zu einer intensiven Analyse durch unabhängige Experten von CETA vor einer Unterzeichnung. Auch wäre es ratsam, wenn das Abkommen nicht allein durch das europäische Parlament, sondern durch jedes europäische Land ratifiziert werde.

"Die Freihandelsabkommen stehen zunächst einmal durch die Geheimhaltung der Verhandlungen in der öffentlichen Kritik", so Akademiedirektorin Arngard Uta Engelmann. Zum anderen aber würden durch die sogenannten Schiedsgerichtsregelungen "Fragen zum Demokratieverständnis und zur Souveränität von Staaten aufgeworfen".

Für Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh ist das überwältigende europäische Interesse an den Freihandelsabkommen ein Zeichen dafür, wie wichtig es ist „die grundsätzlichen ethischen Fragen zu bearbeiten, die durch diese Abkommen aufgeworfen werden."

Er sprach sich für mehr Transparenz und Demokratie im Blick auf TTIP und CETA aus. So gelte es nachzufragen, was es für die Demokratie bedeute, wenn große Konzerne durch die Freihandelsabkommen mehr Rechte bekommen als Parlamente. Die Kirchen hätten sich im Laufe ihrer Geschichte ja erst spät zur Demokratie bekannt, umso wichtiger sei es ihnen aber nun, sich für sie einzusetzen und sie zu verteidigen. Eine breit aufgestellte Willensbildung und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sei für die Kirchen von großer Bedeutung.

Wichtig war ihm darüber hinaus den Blick darauf zu lenken, welche Folgen unser Handeln für andere habe. Insbesondere beim Klimawandel werde das virulent. "Wir müssen uns Kirchen dafür einsetzen, dass die geplanten Handelsabkommen kritisch im Blick auf deren Folgen für die Ärmsten der Welt und die Menschenrechte befragt werden". Mit Beispielen von Auswirkungen auf den globalen Süden betonte er die Verantwortung für die eine Welt bei allen internationalen Verhandlungen. Sie dürften nicht dahin führen, dass globale Ungleichgewichte zementiert werden. Als positives Zeichen wertete er, dass das Europäische Parlament Ausnahmeregelungen bei den Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) zur Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen in Blick genommen habe.

Der Europaabgeordnete Sven Giegold räumte ein, dass es durchaus sinnvoll sein könne, international zu Vereinfachungen bei technischen Standards zu kommen. Gravierend sei jedoch, dass über die Freihandelsabkommen auch gesellschaftliche Standards angeglichen werden sollten. Solche gesellschaftlichen Veränderungen müssten hingegen auf der Ebene der Demokratie verhandelt werden. Es sei nicht hinzunehmen, dass nationales Verfassungsrecht durch TTIP und CETA gebrochen werde. "Wir dürfen die starken sozialen Rechte und die demokratische Freiheit Europas nicht auf dem Altar kleiner Wachstumserfolge für wenige opfern", betonte Giegold. Es gelte die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft, der Subsidiarität und unserer Demokratie zu verteidigen. Der europäischen Demokratie dürften nicht durch Freihandelsabkommen Fesseln angelegt werden.

Evangelische Landeskirche in Baden
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