„Wir dürfen nicht wie Schlafwandler in die Vernichtung dieser Welt laufen“

Landesbischof Frank Otfried July eröffnet Weltkriegstagung mit einem Appell zur Einmischung angesichts der aktuellen Konflikte

Evangelische Landeskirche in Württemberg

25. Juli 2014

Mit klaren Worten hat sich Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July zu den aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien, im Irak, in der Ukraine sowie in Israel und im Gazastreifen geäußert. Anlass dafür ist eine Tagung zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren, die unter der Überschrift „Geschichte – Glaube – Gedenken“ am heutigen Freitag, 25. Juli, im Evangelischen Stift in Tübingen stattfindet. „Die Büchse der Pandora hat sich wieder geöffnet“, sagte July im Rahmen einer Predigt zu Beginn der Tagung. Dabei hätten die Menschen spätestens seit den Geschehnissen der Jahre 1914 bis 1918 wissen müssen, „welche Gesichter die Kriegsfurie entwickeln kann“. Stattdessen gebe es immer wieder und so auch jetzt „Leidens- und Leichenberge der Menschheit“ zu beklagen. Außerdem zeige „ der Antisemitismus in unseren Gesellschaften immer hemmungsloser sein hässliches Gesicht“. Dagegen, aber auch gegen „Gott ist groß“-Rufe von muslimischen Fundamentalisten, wenn sie eine Terrorrakete abgeschossen haben, gelte es „sich einzumischen, zu Wort zu melden, zu empören angesichts der Todes- und Kriegsgewalt dieser Tage“. Gleichzeitig mahnten die Verwundeten und Toten im Gazastreifen und in Israel aufs Neue, sich nicht mit der Gewaltlogik dieser Welt abzufinden.
 
Mit dem Titel des Bestsellers von Christopher Clark warnte der Landesbischof zudem davor, „wie ‚Schlaf-wandler‘ in die Vernichtung von Menschen und dieser ganzen Welt zu laufen. Der Staub, der dann an den Stiefeln hängt, ist Menschenstaub.“ Einmischung allein aber genüge nicht, so Landesbischof July weiter. Man müsse auch Gott selber zu Wort kommen lassen. Dabei verwies July auf den bekannten Satz des evangelischen Theologen Karl Barth: „Es wird regiert“ – ein Satz, der auf das eigentliche, nämlich göttliche Regiment über diese Welt aufmerksam mache. „In Jesus Christus schreibt Gott sein Regierungs- und Geschichtsprogramm. In ihm schreibt er auf krummen Linien gerade. Er ist der Friedefürst dieser Welt inmitten des furchtbaren Leids.“ Diese Einsicht schlage allen eigenmächtig Regierenden die Selbstgenügsamkeit aus der Hand, bringe die Lügenwelt der Propaganda zum Einsturz und mache eine Instrumentalisierung menschlichen Lebens unmöglich. „Lassen wir diesen Friedefürst regieren! Dann haben alle Fürsten der Angst, des Kriegs, des Terrors und des Todes ausgedient.“
 
Den Hauptvortrag zum Thema „Der Erste Weltkrieg und die europäische Christenheit“ hält der Kirchengeschichtler Professor Dr. Martin Greschat aus Münster. Im Anschluss stehen eine Podiumsdiskussion sowie die Vertiefung des Themas in Kleingruppen auf dem Programm.

Stuttgart/Tübingen, 25. Juli 2014

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