„Nicht alle Palästinenser sind Terroristen“

Schüleraustausch: Zwölf Jugendliche aus Palästina zu Gast in Bielefeld

Evangelische Kirche von Westfalen

24. Juni 2014

Für Ranza Kharoufeh ist die Bewegungsfreiheit hierzulande eine starke Erfahrung: Einfach, sicher und ohne demütigende Kontrollen von A nach B zu kommen, das ist in ihrer Heimat kaum möglich.

Die 16-Jährige gehörte zu einer Gruppe von zwölf Schülerinnen und Schülern aus dem Westjordanland, die jetzt für zwei Wochen zu Gast in der Hans-Ehrenberg-Schule in Bielefeld waren. Die Jugendlichen aus Palästina kamen von der evangelischen Schule Talitha Kumi in Beit Jala bei Bethlehem. Unter dem Dach der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) besteht eine Schulpartnerschaft zwischen der Hans-Ehrenberg-Schule in Bielefeld und Talitha Kumi.

„Für uns ist dieser Austausch eine enorme Bereicherung“, erklärt Schulleiterin Ute Wilmsmeier von der Hans-Ehrenberg-Schule. Das Kennenlernen einer ganz anderen Kultur sei durch nichts zu ersetzen und von nachhaltiger Wirkung. Die Erfahrung der Schüler, die vor zwei Jahren am ersten Austausch teilgenommen haben, „strahlt aus auf die Schulatmosphäre“, so die Pädagogin. Dazu trage die Aufnahme in die Gastfamilien entscheidend bei. „Sie lernen hier nicht nur in der Schule, sie lernen etwas über Kultur und Alltagsleben“, sagt die Musiklehrerin Reem Handal von Talitha Kumi, die als Begleiterin mitgereist ist. Und sie tragen dazu bei, dass Vorurteile schwinden: „Nicht alle Palästinenser sind Terroristen.“ Vorurteile, aber vor allem Ängste spielen auch eine Rolle bei Eltern, deren Kind an einem deutsch-palästinensischen Schüleraustausch teilnehmen könnte. Viele zögern mit der Erlaubnis, ihren Sohn oder ihre Tochter ins Westjordanland reisen zu lassen, weil sie um die Sicherheit besorgt sind. Deshalb ist die Reihenfolge wichtig, erklärt der Lehrer Karl-Werner Peitzmann: Wenn die arabischen Jugendlichen zuerst kommen und zwei Wochen in deutschen Gastfamilien leben, dann wächst mit den vielen Informationen auch die Bereitschaft zum Gegenbesuch. Der soll im Frühjahr 2015 stattfinden.

Aber nicht nur Schüler, sondern auch Lehrer tauschen sich zwischen Bielefeld und Beit Jala aus. Stephanie Bittner war im vergangenen Jahr mit einigen Kollegen in Talitha Kumi. „Das Verständnis für beide Seiten, Israel und Palästina, die sich unversöhnlich gegenüber stehen, kann vor Ort auf ganz andere Weise entstehen als von Deutschland aus – auch, wenn man mit mehr Fragen als Antworten zurück kommt“, so die Englisch- und Religionslehrerin. Ein Gegenbesuch von arabischen Kollegen in Bielefeld ist geplant.

Die evangelische Schule Talitha Kumi bietet Kindern und Jugendlichen in Palästina viele Möglichkeiten. „Wir sehen unsere gesamte pädagogische Arbeit als einen Beitrag zur Überwindung von Konflikten und Gewalt und damit zum Frieden“, erklärt Schulleiter Rolf Lindemann. Dazu gehört auch der interreligiöse Dialog. Christliche Schülerinnen und Schüler, evangelisch und katholisch, besuchen Talitha Kumi, aber auch Muslime.

Deutsch ist Pflichtfach, und die Neuntklässler, die jetzt in Bielefeld waren, können sich gut verständigen. Das Abitur mit Deutsch als Hauptfach ermöglicht ihnen später ein Studium in Deutschland. Das streben viele an, doch fast immer mit dem Ziel, später nach Palästina zurückzukehren. Ranza Kharoufeh zum Beispiel möchten Fremdenführerin werden. Deutsche Touristen werden wohl auch in Zukunft nach Bethlehem kommen.

24. Juni 2014

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Talitha Kumi