Kirche erforscht ihre Nazi-Vergangenheit weiter

Neue Untersuchung belegt „starke Anpassungsbereitschaft“

Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

19. März 2014

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) erforscht ihre Rolle während des Nationalsozialismus weiter. Am kommenden Freitag (21. März) um 19 Uhr wird dazu in der Stadtkirche Darmstadt (Kirchstraße 11) eine neue wissenschaftliche Auswertung über die frühere Evangelische Landeskirche Nassau-Hessen in der Zeit von 1933 bis 1945 vorgestellt. Dazu wurden mehr als 5.212 Seiten mit rund 70.000 Dokumenten gesichtet. An dem umfangreichen Vorhaben haben über dreieinhalb Jahre elf Autorinnen und Autoren intensiv gearbeitet. Das Ergebnis ist ein knapp 600 Seiten umfassender Band mit dem Titel „Evangelische Landeskirche Nassau-Hessen und Nationalsozialismus. Auswertungen der Kirchenkampfdokumentation der EKHN.“

Die Forschungsarbeiten beleuchten dabei unter anderem die Rolle des Nationalsozialismus in der Kirchenverwaltung, in den Ausbildungsstätten der Kirche und der Universität. Außerdem werden die evangelische Jugendarbeit, die Diakonie, der Evangelische Bund und das Verhältnis der Kirche zum Judentum untersucht. Das Forschungsprojekt, das die Kirchenleitung der EKHN in Auftrag gegeben hatte, steht dabei unter dem Motto „Zukunft braucht Erinnerung“. Die Zeit der Kirchenkampfgeschichte solle nicht nur lebendig gehalten werden, sondern auch verstanden werden können. Dies sei umso notwendiger, da die Ära der Zeitzeugen inzwischen fast vergangen sei. Herausgegeben wird das Werk von dem früheren Juristischen Oberkirchenrat in der Kirchenverwaltung der EKHN, Dr. Klaus-Dieter Grunwald und dem Präses der Kirchensynode der EKHN, Dr. Ulrich Oelschläger.

Die Ergebnisse der Studie sind dabei ernüchternd. Der Band kommt zu dem Schluss, dass die Anpassungsbereitschaft kirchlicher Kreise an die neue politische Situation nach 1933 „stark ausgeprägt“ war. So konnten etwa die kirchlichen Jugendverbände sofort von den nationalsozialistischen Machthabern instrumentalisiert werden. Gleichzeitig sei die Machtergreifung der Nazis von den evangelischen Jugendverbänden begrüßt worden. Vom Nationalsozialismus und den Deutschen Christen erhofften sie sich eine Erneuerung der Kirche. Der Band stellt auch die Lage und das Leiden der Juden in Hessen-Nassau dar. Antijudaismus und Antisemitismus seien in der Landeskirche, insbesondere auch unter Pfarrern, weit verbreitet gewesen. Auch die eigentlich NS-kritische Bekennende Kirche habe keine Ausnahme gebildet und in der „Judenfrage“ versagt.

Bei der Präsentation des Buches am Freitag werden der Präses der EKHN, Dr. Ulrich Oelschläger die Ergebnisse zum Thema Judentum und Dr. Harmjan Dam, der Leiter des Religionspädagogischen Instituts der EKHN, den Kirchenkampf in den Jugendverbänden auch genauer vorstellen.

Bibliographische Angaben:
Klaus-Dieter Grunwald, Ulrich Oelschläger (Hg.): Evangelische Landeskirche Nassau-Hessen und Nationalsozialismus. Auswertungen der Kirchenkampfdokumentation der EKHN. Verlag der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung, Darmstadt 2014.

Darmstadt, 19. März 2014

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