Käßmann: Friedenspotential der Religion ausschöpfen

„Alle Achtung“: Westfälische Kirche eröffnet Reihe im Jahr der Toleranz Scharfe Kritik an Rüstungsexporten – Krieg löst keine Konflikte

Evangelische Kirche von Westfalen

07. Februar 2013

Das Christentum und andere Religionen haben einzigartige Möglichkeiten, Toleranz und Frieden zu stärken – nach Überzeugung von Dr. Margot Käßmann müssen diese Potenziale viel stärker beachtet, genutzt und gefördert werden. Die Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017 eröffnete am Mittwochabend (6.2.) in der Dortmunder Reinoldikirche die Reihe „Alle Achtung“ der Evangelischen Kirche von Westfalen im Jahr der Toleranz.

Es ist eine Station auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017. Dann jährt sich die Veröffentlichung von Martin Luthers Thesen von 1517 zum 500. Mal. Daraus erwuchs eine Bewegung, aus der die evangelische Kirche entstand. Unter dem Titel „Alle Achtung – Jahr der Toleranz 2013“ wandert von Februar bis November eine Vortragsreihe durch zwölf Städte in der Evangelischen Kirche von Westfalen.
„Das Eigene lieben, das Andere respektieren, aber trotzdem die eigene Wahrheit nicht in Frage gestellt sehen“ – so beschrieb Käßmann vor fast 800 Zuhörern das Wesen der Toleranz. Sie sei keine starre Position, sondern müsse immer wieder neu im Kennenlernen, in der Begegnung, im Verstehen erfahren werden.

Die christliche Botschaft von der Feindesliebe könne Menschen in die Lage versetzen, auch auf Gegner zuzugehen. Und: „Wer glaubt, dass Gott die Menschen nach seinem Bild geschaffen hat, kann auch im anderen Menschen noch etwas vom Abglanz Gottes sehen.“ Das jüdisch-christliche Gebot „Du sollst nicht töten“ enthalte ein enormes Potenzial zur Konfliktbewältigung. „Die Auffassung, durch Krieg ließen sich Konflikte lösen, hat sich immer wieder als Irrtum erwiesen“, sagte Käßmann. Dem haben die christlichen Kirchen entgegengesetzt: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“ Diese Aussage bei der Gründung des Weltkirchenrates 1948 wurde, so
Käßmann, die „Grundmelodie“ der weltweiten Ökumene. Sie wirkte auch zum Beispiel 1989, als in der DDR von den Christen der Ruf „Keine Gewalt!“ ausging und der Umsturz friedlich blieb.

Krieg ist für Margot Käßmann immer ein Versagen der Politik. Um Krieg zu verhindern, müssten zum Beispiel die Geldströme unterbrochen werden, die ihn ermöglichen, etwa für den Handel mit Drogen und Waffen. „Warum muss Deutschland den unrühmlichen dritten Platz unter den Rüstungsexportländern weltweit einnehmen? Wir können doch nicht an Kriegen verdienen, die wir nachher beklagen!“ Es sei keineswegs naiv, auf gewaltfreie Formen von Konfliktbewältigung zu setzen. Vermittlung und Vorbeugung ließen sich trainieren. Die öffentliche Wahrnehmung sei viel zu stark fixiert auf religiös begründete Gewalt, zum Beispiel durch islamistische Selbstmordattentäter. „Aber wir müssen deutlich machen, was an mühseliger Friedensarbeit von religiös motivierten Menschen geleistet wird. Sie haben einen langen Atem aus der Kraft des Glaubens.“

Dortmund, 07. Februar 2013

www.jahr-der-toleranz.de