Ausstellung „Gratwanderungen“

Schülerprojekt zu kirchlichem „Entjudungsinstitut“ 1939-1945

Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen

13. Juni 2006

Der Name der kirchlichen Einrichtung war Programm: „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“. Bis 1945 hat das 1939 von elf evangelischen Landeskirchen gegründete so genannte Entjudungsinstitut in Eisenach bestanden. Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse des evangelischen Martin-Luther-Gymnasiums in Eisenach sind der menschenverachtenden Arbeit des Instituts nachgegangen. Die Forschungsergebnisse werden jetzt in einer Ausstellung unter dem Titel „Gratwanderungen“ gezeigt. Eröffnet wird die Ausstellung, an der mehr als 50 Schülerinnen und Schüler gearbeitet haben, am kommenden Donnerstag (15.6., 17 Uhr) im Eisenacher Rathaus. Die Gastrede wird Joachim Gauck, ehemaliger Leiter der Stasiunterlagen-Behörde, halten.

Hauptaufgabe des Institutes war die Eliminierung aller jüdischen Spuren aus den Schriften des Neuen Testamentes und des evangelischen Gesangbuches. Die heute unumstrittenen Wurzeln des Christentums im Judentum wurden geleugnet und sollten beseitigt werden. Die Ausstellung zeigt, dass Wörter wie „Zion“ oder „Hosianna“ aus dem Gesangbuch getilgt worden sind. Problematisiert werden auch die theologischen Grundsätze des Institutes und seiner deutschlandweit etwa 200 Mitarbeiter. Nach diesen wurde Jesus zum „Arier“ erklärt und dem „Judentum in allen Stücken entgegengesetzt“ dargestellt. Folgerichtig befasst sich ein Teil der Ausstellung mit dem Phänomen und der Geschichte der christlichen Judenfeindschaft.

Besonderes Augenmerk lenkt die Ausstellung auf die Rolle der Thüringer Landeskirche während der Zeit des Nationalsozialismus. Bereits sehr früh und besonders stark hatte in Thüringen die Bewegung der Deutschen Christen Fuß gefasst. Dokumentiert wird, dass die Landeskirche „im Gleichschritt mit der nationalsozialistischen Rassenpolitik“ gelaufen ist. Vor diesem Hintergrund befasst sich die Ausstellung auch damit, wie die Kirchenleitung mit ihrer eigenen Vergangenheit und der Arbeit des „Entjudungsinstitutes“ umgegangen ist. Das Institut war zwar 1945 durch die Kirchenleitung geschlossen worden. Kritisiert wird jedoch die sehr späte Auseinandersetzung mit der Geschichte des Institutes durch die Kirchenleitung. Erst Mitte der Neunziger Jahre ist insbesondere durch Studientage des Predigerseminars der Landeskirche damit begonnen worden, die Geschichte des Institutes aufzuarbeiten.

 „Die Landeskirche war während der Nazizeit auf einem unseligen Irrweg und hat sich gegenüber dem Judentum schuldig gemacht. Heute pflegen wir den jüdisch-christlichen Dialog und betonen als Christen ausdrücklich die jüdischen Wurzeln unseres Glaubens. Das darzustellen, wird auch dabei helfen, dem Antisemitismus entgegen zu treten“, so Thomas Giesa, Direktor des Eisenacher Martin-Luther-Gymnasiums.

Eisenach, 13. Juni 2006

Ralf-Uwe Beck
Pressesprecher