Europas Christen müssen Friedenserbe weitergeben

Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung sind Schlüsselthemen der Kirchen

3. Europäische Okumenische Versammlung

07. September 2007

Europa habe ein besonderes Erbe, das es mit der Welt teilen müsse: die Erfahrung von mehr als 60 Jahren Frieden. Darauf wies der Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio, Andrea Riccardi, in seinem Vortrag am 7. September hin. Doch anstatt dieses Erbe für die Welt fruchtbar zu machen, gebe es heute in Europa einerseits die Tendenz eines neu erstarkenden Nationalismus und andererseits eine Abschottungsmentalität. “Doch wenn man Mauern zur Verteidigung errichtet, kehren die Dämonen des 20. Jahrhunderts zurück, die Dämonen der Brüderkämpfe.” Die Christen Europas könnten an der Nahtstelle zwischen Nationalismus und Globalisierung vermitteln.

Das Wort Gottes mache einen aufrüttelnden Vorschlag: nicht mehr für sich zu leben. «Die Christen müssen sich von der Angst und vom unersättlichen Geiz befreien, denn sie führen dazu, dass wir für uns leben und machtlos und verschlossen sind.» Die Christen könnten zu Anwälten der Geschwisterlichkeit werden. “Wir können die Völker und Menschen von der Sklaverei des Kriegs und der Armut und von der Gefangenschaft eines Lebens für sich befreien, wenn wir unser Herz für das Evangelium öffnen, wenn wir im Gebet mit der Kirche vereint sind, wenn wir unsere Schwestern und Brüder mit Liebe anschauen”, ermutigte Riccardi die Delegierten.

Gerechtigkeit und Frieden seien Schlüsselthemen für die Kirchen, erklärte die hannoversche Landesbischöfin und Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Kässmann, die das Vormittagsplenum moderierte. Diese Themen seien nicht sekundäre, sondern gehörten zum Wesenskern der Kirchen. Es sei ein wichtiges Signal, dass sich die versammelten Christen aus Europa intensiv damit auseinandersetzten. Die Versammlung könne zwar keine rechtlich bindenden Beschlüsse fassen, sagte Margot Kässmann vor Journalisten. „Aber wir können mit aller Klarheit bekräftigen, dass die Menschenrechte, gerade auch das Recht auf Religionsfreiheit, die Basis von Freiheit und Demokratie bilden.“ Dies müsse auch Staaten gegenüber deutlich gemacht werden, die Mitglied in der Europäischen Union werden wollten.

Es sei eine gewisse Ernüchterung in der ökumenischen Bewegung eingekehrt, räumte Margot Kässmann ein. „Es gab jahrelang eine Begeisterung und grosse Hoffnung, dass wir – gerade auch durch die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung und die Erarbeitung der Charta Oecumenica – die Unterschiede im Amts- und Kirchenverständnis überwinden könnten und Abendmahlsgemeinschaft in Sichtweite sei. Aber nun stellen wir fest: Die theologischen Unterschiede bestehen nach wie vor.“ Die Versammlung in Sibiu/Hermannstadt mache deutlich, dass eine Neuorientierung in der Oekumene notwendig sei.