60 Jahre nach Kriegsende

Präses Alfred Buß zum 8. Mai 2005

Evangelische Kirche von Westfalen

06. Mai 2005

Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1945 erklärt Präses Alfred Buß, Evangelische Kirche von Westfalen:

60 Jahre nach Kriegsende ist deutlich: Der 8. Mai ist ein Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Terror, mit dem in deutschem Namen ganz Europa überzogen wurde. Es ist auch ein Datum, mit dem sich die Einsicht verbindet in Schuld und Versagen.

Es ist gut, daran zu erinnern, denn ohne Erinnerung gibt es keine Orientierung. Erinnerung hält die Mahnung wach, alles Menschenmögliche zu tun, damit sich die Verbrechen von damals nicht wiederholen.

Wir sind nicht ins eigene Scheitern verliebt, sondern als Christen wissen wir: „Der Glaube an Gottes Güte macht frei, sich auch den dunklen Seiten der eigenen Biografie und der Schuldgeschichte des eigenen Volkes zu stellen.“ So heißt es in der Erklärung der christlichen Kirchen in Deutschland zu diesem 8. Mai.

Die faschistische Diktatur in Deutschland konnte funktionieren, weil Menschen sich zum Bösen verführen lassen, blind oder zu feige sind, dem Bösen entgegen zu treten und zu eigenen bösen Taten fähig sind. Dabei kann sich das Böse in seiner ganzen Banalität als wertvoll, gut und erstrebenswert darstellen und anpreisen. Die Bibel lehrt uns Christen einen nüchternen Blick auf den Menschen: Er ist dazu berufen, Gottes Mitarbeiter zu sein, aber immer wieder lässt er sich vom Teufel reiten.

Millionen Menschen sind Opfer der nationalsozialistischen Gewalt geworden. Wir wollen das Gedächtnis dieser Opfer bewahren und sie, wo immer möglich, aus der Namenlosigkeit herausholen. Das Unrecht, durch das sie ihr Leben verloren, soll nicht darin noch einen späten Triumph feiern, dass auch die Erinnerung an sie ausgelöscht wird. Dabei geht es ohne gegenseitige Aufrechnung um die Opfer auf allen Seiten. Nur so „können auch die Nachgeborenen ein angemessenes Verhältnis zu ihrer eigenen Herkunft, die tief in der Geschichte unseres Volkes wurzelt, gewinnen. Ohne Ursache und Folgen zu verwischen, werden wir so des Fluchs der sich fortzeugenden Gewalt gewahr, die bis heute das Leben vieler Menschen belastet“, erklären die christlichen Kirchen in Deutschland.

Als Christen haben wir den Auftrag, den Frieden zu wahren, zu fördern und zu erneuern. Ohne Recht und Gerechtigkeit, ohne Menschenrechte und ohne Freiheit gibt es keinen wirklichen und dauerhaften Frieden. Dies zeigt sich als Herausforderung besonders angesichts der weltweiten Wirtschaftsverflechtungen und ihren Folgen - in Deutschland und in den armen Ländern des Südens.

Bielefeld, 06. Mai 2005

Andreas Duderstedt
Pressesprecher