"Liebt und arbeitet für das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit! "
Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter würdigt im Trauer- und Dankgottesdienst Dorothee Sölle als eine "wahre Prophetin" unserer Zeit.
Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche
05. Mai 2003
In der Trauerfeier für die vor einer Woche verstorbene evangelische Theologin Dorothee Sölle hat die Lübecker Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter heute in der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen Gott gedankt für das "wunderbare Geschenk", das er mit dem Leben dieser großen Frau unserer Zeit gemacht habe. Vor einer großen Trauergemeinde aus aller Welt sagte die Bischöfin: „Wo ihre Texte gesprochen werden, passiert mit den Menschen immer dasselbe: Es fällt Licht auf ihr Leben. Worte wie Brot, Texte voll Klarheit und konkreten Lebens, ehrlich, genau, licht".
Die Vision eines neuen Himmels und einer neuen Erde habe Dorothee Sölles Denken von Grund auf geprägt und sei eines ihrer Lebensthemen gewesen. „Dazu gehört das Neue eines Christus-gemäßen Lebens mit einer anderen Art zu leben, einer anderen Art zu denken, einer neuen Art zu lieben, zu handeln und zu teilen". Die durch Kriege zerrissene Erde müsse nach der Auffassung Sölles zu einem neuen Ort des Lebens gemacht werden. Für die "Befestigung der neuen Visionen" in den Herzen und Händen der Menschen habe sie nicht nur gearbeitet, sondern auch gesungen, gedichtet, geliebt und gelacht: "Auf diesen Weg hat sie uns mitgenommen. Dafür wird sie uns in der Kirche und Gesellschaft besonders fehlen", so die Bischöfin weiter.
Als das zweite große Lebensthema der verstorbenen Theologin hob Bärbel Wartenberg-Potter die neue Sprache und die neuen Bilder hervor, mit der Sölle die solidarische Nähe Gottes zu den Menschen theologisch wiederentdeckt und sprachfähig gemacht habe. "Dazu musste die alte Sprache, mussten die alten Bilder vom einsamen, allmächtigen Herrscher im Himmel demontiert werden. Das eine war nicht ohne das andere zu haben." Auch wenn Dorothee Sölle mit diesen Thesen in der Kirche massive Kritik auf sich gezogen habe, sei es eine der bemerkenswertesten Torheiten der Kirchengeschichte der Nachkriegszeit, ihr keinen Platz an den Theologischen Fakultäten Deutschlands gegeben zu haben, betonte die Bischöfin. Gerade Dorothee Sölle habe in die Gottesfinsternis des 20. Jahrhunderts, wie keine andere, theologisches Licht getragen. "Nach Auschwitz und dem ‚Tode Gottes‘ hat sie den Menschen ermöglicht, ehrlich Gott zu sagen, Gott zu denken, Gott zu meinen und zu glauben." Dadurch habe sie ihren eigenen und den Auszug besonders der Frauen aus den Kirchen aktiv verhindert.
Vielen werde die lebendige prophetische und poetische Stimme dieser Frau, die im Tod nicht mehr als ein Tropfen im Meer der Liebe Gottes werden wollte, schmerzlich fehlen, sagte die Bischöfin. Sie sprach der weltweiten um Dorothee Sölle trauernden Gemeinde Mut zu. Die Botschaft Sölles an uns laute "Alles geht weiter. Die Liebe geht weiter, das Beten und Tun." Um das einzulösen, so die Bischöfin, sollten wir den von ihr übergebenen Stab annehmen und auf selbst gefundenen Wegen für das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit lieben und arbeiten. Bischöfin Wartenberg-Potter tröstete die Trauergemeinde und ermutigte sie zugleich mit den Worten: "Die großen Hoffnungen, die sie trug, werden wir gewiss nicht mit ins Grab legen."
Hamburg, 05. Mai 2003
Verantwortlich für den Inhalt:
Helmut Brauer
Pressesprecher der Bischofskanzlei Holstein-Lübeck
Norbert Radzanowski
Nordelbischer Pressesprecher