„Wahrhaftiges Erinnern ist mühsam“

Kirchenpräsident Helge Klassohn zum 60. Jahrestag des Kriegsendes

Evangelische Landeskirche Anhalts

03. Mai 2005

In einem Brief zum 60. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs hat Kirchenpräsident Helge Klassohn zu wahrhaftigem Erinnern aufgerufen. „Aus solchem Erinnern lernen wir: Keine Weltanschauung, keine Religion, keine Menschheitsidee und kein Staat darf Menschenopfer fordern“, sagte der Kirchenpräsident. „Wahrhaftiges Erinnern ist freilich mühsam, denn unbequeme Wahrheiten zu ertragen ist anstrengend, man muss dazu auf Stolz und Eigensinn verzichten – und bereit sein, das Erbe der bösen Jahre 1933-1945 in erneuter Verantwortung anzunehmen. Gottes Wort aber stärkt uns in diesem Bemühen.“

Klassohn erinnerte daran, dass es deutsche Kommandos gewesen seien, die unzählige Menschen, insbesondere jüdischer Abstammung, in den Tod getrieben hätten, dass deutsche Wissenschaftler, Ärzte und Juristen Schwache und Behinderte für ‚lebensunwert’ erklärt hätten. „Und bevor unsere Städte im  Bombenkrieg in Flammen aufgingen und zahllose Menschen im Feuersturm starben, brannten 1938 die jüdischen Gotteshäuser. Die Zerstörung unseres Landes begann mit der Zerstörung der Werte, die uns Gottes Wort und Gebot lehren. Der 8. Mai 1945 war ein Tag der Befreiung von einem verbrecherischen Regime, von der Herrschaft durch Angst, Lüge und Tod.“

Die Erinnerungen an die Kriegsereignisse, so Klassohn, schmerzten noch immer, „und das nicht zuletzt in den damals verwüsteten Städten Dessau und Zerbst“. „Das Ausmaß der Verbrechen und der Verluste in den Jahren 1933-45 erfüllt uns mit Trauer. Krieg ist immer eine Katastrophe der Menschheit, in ihm geschehen Dinge, die nie geschehen dürften, das Böse gewinnt Macht über die Seelen und erklärt das Unmenschliche für gerechtfertigt.“ Orientierung auch für das Erinnern, so der Kirchenpräsident, sollte der erste Satz des deutschen Grundgesetzes sein: „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ „Denn wir mussten lernen, wie antastbar die Menschenwürde ist, wenn nicht Frieden, Gerechtigkeit und Nächstenliebe uns leiten.“

Glockenläuten am 8. Mai um 11 Uhr

Der Landeskirchenrat der Evangelischen Landeskirche Anhalts hat den anhaltischen Kirchengemeinden empfohlen, am Sonntag, den 8. Mai 2005, die Kirchenglocken zur Erinnerung und als Mahnung zur Bewahrung des Friedens zu läuten.