Beschluss der Kirchenleitung der EKiBB zu den Vorgängen um Generalsuperintendent Dr. Rolf Wischnath

Gesamtbewertung: Kein Stasi-Verdacht - aber auch keine Vorwürfe

Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg

Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (EKiBB) hat am Freitag, dem 25. April 2003, den Bericht des Präses der Synode der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), Dr. Jürgen Schmude, zu den Vorgängen um Generalsuperintendent Dr. Rolf Wischnath entgegen genommen und dies in einem Beschluss festgehalten. Präses Dr. Schmude kommt zu der Gesamtbewertung, dass es keinen Stasi-Verdacht gegen Dr. Rolf Wischnath gibt aber auch keinen Grund für Vorwürfe gegen die Kirchenleitung. Die EKiBB hatte Präses Dr. Schmude am 14. Februar 2003 um diesen Bericht gebeten.

Beschluss der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg zu den Vorgängen um Generalsuperintendent Dr. Rolf Wischnath

vom 25. April 2003

1. Die Kirchenleitung hat in ihrer Sitzung am 25. April 2003 den Bericht, den Dr. Jürgen Schmude in ihrem Auftrag mit Zustimmung von Dr. Rolf Wischnath erstattet hat, entgegen genommen und sich von Dr. Schmude im Einzelnen erläutern lassen. Sie dankt ihm für diesen Bericht nachdrücklich und sieht damit eine Reihe von Fragen als geklärt an, die zwischen Dr. Wischnath und der Kirchenleitung strittig waren. Dr. Wischnath hat diesen Bericht in verschiedenen Gesprächen als fair bezeichnet und akzeptiert. Die Kirchenleitung macht sich die Bewertung der Vorgänge durch Dr. Schmude ausdrücklich zu Eigen; sie wird hiermit im Wortlaut zugänglich gemacht (Anhang)

2. Die Kirchenleitung ist dankbar dafür, dass Dr. Wischnath sich an der Aufhellung der Vorgänge, unter anderem durch einen Brief an Dr. Schmude, beteiligt hat. In diesem Brief hat Dr. Wischnath unter anderem festgestellt, dass seine Einschätzung der Dinge falsch und krankheitsbedingt war. Äußerungen, die er in diesem Zusammenhang getan hat, hat er bedauert und beklagt, dass hierdurch Vertrauen in Mitleidenschaft gezogen wurde. Seiner Bitte um Vergebung möchte die Kirchenleitung gern entsprechen. Sie hat Bischof Dr. Huber gebeten, Dr. Wischnath ihre Bereitschaft zur Versöhnung persönlich zu vermitteln.

3. Die Kirchenleitung ist beunruhigt durch die anhaltende Erkrankung von Dr. Wischnath und wünscht ihm eine baldige Genesung. So bald sein Gesundheitszustand das zulässt, möchte sie mit ihm das Gespräch über offene Fragen im Blick auf das künftige gedeihliche Miteinander führen.

Berlin, 28. April 2003

In Vertretung
Susanne Tenhagen
Pressestelle EKiBB
Tel: 030/24 344-287


Aus dem Bericht des Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. Jürgen Schmude, vom 17. April 2003.

Gesamtbewertung: Kein Stasi-Verdacht - aber auch keine Vorwürfe


1. Kein Stasi-Verdacht gegen Dr. Wischnath

Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg hat, u.a. durch Beschluss der Kirchenleitung vom 14.02.2003, die von Anfang an bei den Beteiligten bestehende und durch Auskünfte der zuständigen Behörde bestätigte Einschätzung bekräftigt, dass keine Zusammenarbeit von Dr. Wischnath mit dem Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR stattgefunden hat. Diese Feststellung der Kirchenleitung stimmt völlig überein mit den bei der jetzigen Überprüfung gewonnenen Eindrücken.

Die Kirchenleitung hat sich ihre Meinung erkennbar nicht in eilfertiger und unkritischer Solidarisierung mit Dr. Wischnath gebildet. Die mehrfach beanstandete sachliche Sprache im Vermerk von Konsistorialpräsident Dr. Uwe Runge zum Gespräch beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vom 01.08.2002 zeigt die Nüchternheit, mit der die Klärung des Vorgangs betrieben worden ist.

Bei den daraufhin im Februar 2003 abgegebenen Erklärungen der Kirchenleitung kann es in vollem Umfang verbleiben. Ihre Richtigkeit wird durch die teils zurückhaltenden, teils skeptischen Bewertungen nicht gemindert, die Dr. Runge in seinem Vermerk über das Gespräch am 01.08.2002 aus den Mitteilungen des BfV berichtet. Sie sind erkennbar von dem - vielfach anzutreffenden - Bestreben geprägt, sich für den Fall zusätzlicher Erkenntnisquellen eine neue Deutung offen zu lassen und sich vorher nicht endgültig festzulegen. Dass hier solche zusätzlichen Erkenntnisse anfallen können, ist nirgends ersichtlich. So bleibt es bei dem Kern der jetzt bekannten Äußerungen des BfV, die insoweit mit der eigenen Darstellung Dr. Wischnaths zu seinen DDR-Besuchen und den dabei erfolgten Kontakten übereinstimmen.

Dr. Wischnath hat diese Begegnungen nicht nur öffentlich geschildert, worüber in verschiedenen Zeitungen berichtet worden ist, er hat auch dem Konsistorium mit Schreiben vom 24.10.2002 eine Reihe von Schriftstücken zugeleitet, in denen die damaligen DDR-Besuche und Kontakte klar angesprochen werden. Aus diesen schriftlichen Unterlagen geht hervor, dass er sich im gleichen Sinne gegenüber kirchlichen Amtsträgern bereits zu Anfang der 90er Jahre geäußert hat, als es um die damals auf verschiedenen Ebenen veranlassten Überprüfungen durch die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ging. Dass er damals darüber gesprochen hat, hat Bischof Dr. Martin Kruse dem Konsistorialpräsidenten im Oktober 2002 berichtet.

Somit gibt es eine plausible Erklärung dafür, wie es möglicherweise zu einer Registrierung Dr. Wischnaths durch den Staatssicherheitsdienst hat kommen können. Weder diese Erklärung noch die in den Stasi-Unterlagen enthaltenen Angaben bieten Anhaltspunkte für eine Verdächtigung Dr. Wischnaths, er habe mit dem Staatsicherheitsdienst kooperiert.

2. Keine Vorwürfe gegen die Kirchenleitung

Für die von verschiedenen Seiten erhobenen Vorwürfe, die in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (EKiBB) - und auch in der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) - mit den Vorgängen befassten Personen hätten seit langem in ungehöriger Weise und zum Teil in übler Absicht gehandelt, gibt es keine tatsächliche Grundlage.

Von größter Bedeutung ist hier zunächst, dass sowohl die Kirchenleitung der EKiBB als auch die beteiligten kirchenleitenden Personen in ihren öffentlichen und internen Erklärungen zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Integrität Dr. Wischnaths geäußert haben. Sie haben solche Zweifel vielmehr eindeutig ausgeschlossen.

Die Prüfung der einzelnen Vorgänge und Texte erweist, dass es keine Grundlage für eine Würdigung gibt, Herr Heidingsfeld im Bereich der EKD und die in der EKiBB handelnden Amtsträger hätten in übler Absicht hinter dem Rücken von Dr. Wischnath gegen ihn gehandelt. Die genaue Betrachtung zeigt vielmehr, dass von solchen, beanstandungswürdigen Absichten keine Rede sein kann. Dazu gestellte Fragen an das Verfahren und an die in den Schriftstücken gewählten Formulierungen konnten nur durch Missdeutungen zu anderslautenden Antworten kommen.

Zur Information Dr. Wischnaths erst am 13.09.2002 und nach dem Gespräch beim BfV am 01.08.2002, statt schon gleich nach Anfang Mai 2002, sind unterschiedliche Bewertungen möglich. Selbst die für die Verantwortlichen kritischere Einschätzung vermag aber nicht im geringsten jene gewichtigen Vorwürfe zu begründen, die gegen sie erhoben worden sind. Die beiden unterschiedlichen Verfahrensweisen, zwischen denen die Amtsträger der EKiBB zu entscheiden hatten, liegen in ihrer Wertigkeit dicht beieinander.

3. Mitverantwortung für Veröffentlichungen

Weder Herr Dr. Wischnath, noch die im kirchenleitenden Bereich mit den Vorgängen befassten Personen sind den festgestellten Umständen nach dafür verantwortlich, dass es zu der Meldung des "Spiegels" in seiner Ausgabe vom 03.02.2003 gekommen ist, an die sich zahlreiche für die Kirche schädliche und für alle Beteiligten belastende Veröffentlichungen angeschlossen haben. Diese Veröffentlichungen stützen sich dann allerdings weitgehend auf wirkliche, z.T. wörtlich wiedergegebene, oder auf behauptete Äußerungen Dr. Wischnaths in einer Zeit außergewöhnlicher Anspannung und Betroffenheit für ihn.

Ausgangspunkt der Serie von Veröffentlichungen zwischen dem 01.02.2003 und Anfang März 2003 war offensichtlich der Bericht des "Spiegels" in seiner Ausgabe vom 03.02.2003, der vielen Interessenten schon einige Tage vorher bekannt war. Für die Kirche belastend war die - ebenfalls von den anderen Medien übernommene - Tendenz des Artikels. Wer den "Spiegel" informiert hat und wer für die der Kirche darin gemachten Vorwürfe verantwortlich ist, lässt sich nicht feststellen. Denkbar ist, dass die anderweitig informierten Personen, von denen Herr Heidingsfeld nach dem ersten bei ihm eingegangenen Hinweis berichtet hat, schließlich den "Spiegel" informiert haben. Dort mag man dann im Zuge der bekannt kirchenkritischen Einstellung des "Spiegels" auf den Gedanken gekommen sein, die Berichterstattung mit Vorwürfen an die Kirche und ihre Amtsträger zu verbinden.

Die anschließende breite Berichterstattung in den Medien ist zwar von der "Spiegel"-Meldung ausgegangen, hat aber offenbar einen großen Teil ihrer Substanz durch Äußerungen von Dr. Wischnath Journalisten gegenüber bekommen. Für das so in der Öffentlichkeit entstandene schädliche Bild der Kirche und der betroffenen Amtsträger ist er in erheblichem Ausmaß mit-verantwortlich.

In einer schriftlichen Stellungnahme räumt er ein, mit seinen Wertungen und Verdächtigungen zu weit gegangen zu sein. Die Stellungnahme enthält mehrere eindeutige Bekundungen des Bedauerns über sein Vorgehen.

Wenn Dr. Wischnath zur Entstehung seines damaligen Erregungszustandes und zum Zustandekommen seiner Äußerungen auf seinen schlechten gesundheitlichen Zustand verweist, so ist das im Wirkungszusammenhang der Geschehnisse plausibel und bei der Bewertung der Verantwortlichkeit erheblich. Die Schilderung seiner Erkrankung und ihrer Auswirkungen entspricht dem äußeren Ablauf der Ereignisse, die alsbald zu seiner ärztlichen auch stationären Betreuung geführt haben. Sie entspricht aber auch den Wahrnehmungen der Personen, die Dr. Wischnath in der betreffenden Zeit begegnet sind und über ihre Eindrücke berichtet haben.

Neben dem Einfluss des Gesundheitszustandes auf das Handeln von Dr. Wischnath ist glaubhaft, dass bei ihm eine ganz besondere Sensibilität für wirkliche oder nur empfundene Belastungen aus der Stasi-Problematik vorgelegen hat. Dazu berichtet er, dass seine Bemühungen um angemessene Konsequenzen aus der Aufdeckung der Pfarrerin Horsta Krum, die er in seiner Verantwortung als reformierter Moderator in Berlin zu unternehmen hatte, ihn stark strapaziert haben, auch gesundheitlich. Mit der Frage, ob andere ihm wegen seiner Gesprächskontakte etwas vorzuwerfen hatten oder er sich selbst, hat er sich, wie Schreiben von ihm und Gesprächsnotizen zeigen, schon damals beschäftigt. Die ihm im November 2000 zu-gegangene Warnung, es gebe Gerüchte und etwas komme auf ihn zu, wird vor diesem Hintergrund bei ihm angespannte Aufnahme gefunden haben.

Es mag sein, dass seine so gewachsenen Empfindlichkeit durch ein von ihm als kühl empfundene Klima der mit ihm September 2002 und im Januar 2003 geführten Gespräche verstärkt worden ist. In die gleiche Richtung dürften dann die nüchterne Sprache der von Dr. Wischnath am 22.01.2003 eingesehenen Briefe und Vermerke sowie Meinungsverschiedenheiten über die Zulässigkeit des Kopierens bei der Akteneinsicht gewirkt haben.

Inwieweit man durch warmherzige und konstruktive Begegnung bei solchen Gelegenheiten die Verschärfung hätte abfangen können, lässt sich nicht sicher sagen. Jedenfalls sind besondere Bemühungen um vertrauensvolle Aufgeschlossenheit und einfache Regelung praktischer Fragen bei Gesprächen und Begegnungen diesen Charakters unerlässlich.