"Eine gute Schule bestärkt Schülerengagement"

Ein Jahr nach dem Erfurter Attentat

Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen

23. April 2003

Landesbischof Kähler fordert im Jahr nach der Erfurter Bluttat ein neues Verhältnis zwischen Lehrern, Schülern und Eltern

In Bildungsdebatte Rahmenbedingungen in Frage stellen, nicht Menschen

Ein Jahr nach dem Attentat am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt hat sich der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, Christoph Kähler, dafür ausgesprochen, das Verhältnis zwischen Lehrern, Schülern und Eltern als Gemeinschaft von Partnern zu gestalten. Dies sei das zentrale Problem der Bildungspolitik. Das entschlossen anzugehen, gebiete die Achtung vor den Opfern des Attentates.

Ziel müsse sein, die Schule als Lebenschance im Bewusstsein der Schüler zu verankern. Viel zu sehr werde die Schule als notwendiges Übel betrachtet. Dazu gehöre jedoch, dass sich Lehrer weniger als Belehrende sondern mehr als Gestalter von Lernprozessen und selbst als Lernende verstehen. Einer neuen Partnerschaft von Schülern, Lehrern und Eltern müsste dann auch mehr eigene Schulverantwortung zugetraut werden. Auch die Eltern seien gefordert, ihre Ängste abzubauen, dass die Schüler bei weniger Reglementierung schlechter auf das Leben vorbereitet würden.

Kähler plädierte dafür, die Bildungsdebatte ohne Tabus zu führen. Es dürften aber nicht die Menschen sondern müssten immer wieder die Rahmenbedingungen in Frage gestellt werden.

Er begrüßte die begonnene Öffnung für freie Schulträger. Dadurch würde die Schullandschaft vielfältiger und könnte durch neue konzeptionelle Ansätze bereichert werden.

Die spontanen Schülerdemonstrationen gegen den Irak-Krieg hätten nach Ansicht des Bischofs Lernfeld für alle Beteiligten sein können: "Eine gute Schule bestärkt Schüler in ihrem eigenen Engagement und lädt sie ein, im Gespräch mit den Lehrern vorhandene Handlungsspielräume auszuloten."
 
Kähler setzte sich angesichts des Jahrestages der Erfurter Bluttat auch dafür ein, den Attentäter und seinen Lebensweg zu bedenken: "Wenn wir den Täter, dem wir nichts mehr vorwerfen und nichts mehr fragen können, ausblenden, verdrängen wir die Fragen, die die Bluttat an uns alle stellt."

Eisenach, 23. April 2003

Bei Rückfragen:
Ralf-Uwe Beck
Pressesprecher


Hinweis: Zu den Erfurter Ereignissen von vor einem Jahr hat der Leiter der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (www.idea.de), Helmut Matthies, ein Interview mit einem der zwei Religionslehrer am Gutenberg-Gymnasium, Andreas Lindner, geführt, das am 22. April veröffentlicht wurde. Das Interview im Wortlaut.