PFINGSTBOTSCHAFT 2006

DER PRÄSIDENTINNEN UND PRÄSIDENTEN DES ÖRK

Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)

28. April 2006

Am Pfingsttag, den das zweite Kapitel der Apostelgeschichte beschreibt, verwandelte der Heilige Geist eine Gruppe ganz unterschiedlicher Menschen, von denen viele aus fernen Ländern gekommen waren (Apg 2,5-11). Im vergangenen Februar erlebten Tausende von Christinnen und Christen aus allen Teilen der Welt etwas Ähnliches: ihnen wurde bei der Teilnahme an der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Südbrasilien eine Pfingsterfahrung zuteil.

Die Gebete und Lieder der Neunten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Porto Alegre klingen weiter in unseren Ohren und Herzen nach. Wir machten uns auf die Heimreise, in der festen Überzeugung, dass unser Gebet "In deiner Gnade, Gott, verwandle die Welt" erhört worden war.

In der Kraft desselben Geistes, der am ersten Pfingstfest auf die Jünger herabkam, haben wir uns in Porto Alegre verpflichtet, unsere Bemühungen um christliche Einheit fortzusetzen, nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Mission und Dienst zu suchen und in Frieden zusammenzuleben. In diesem Zusammenhang ist auch unsere Neuverpflichtung gegenüber der Dekade zur Überwindung von Gewalt (2001-2010) zu sehen.

Wir wissen, dass wir die Qualität unserer Beziehungen verbessern müssen, wir bemühen uns um mehr Relevanz und Glaubwürdigkeit in unserem ökumenischen Leben und wir streben nach Zusammenarbeit in Dienst und Mission - bei alledem ermutigt uns das erste Pfingstereignis, uns dem Geist neu zu öffnen, der an jenem Tag erfahrbar wurde, als alle, die dabei waren, die neue Gemeinschaft verspürten, zu der sie nun gehörten. Ihre neue Erfahrung zeigte sich in der gemeinsamen Begeisterung und im Gefühl einer neuen Identität und Zugehörigkeit zu Christus und zueinander in der Kraft des Geistes. Sie brachten dies auf vielfältige Weise zum Ausdruck, je nach ihrer Kultur und ihrem Kontext.

Im Zusammenhang mit dieser Pfingsterfahrung wird in Apg 2,42 auch das Wort koinonia (Gemeinschaft, Teilhabe) verwendet. Es heißt dort: "Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft (koinonia) und im Brotbrechen und im Gebet." Jene ersten Christen und Christinnen waren also Teil einer Glaubens- und Lebensgemeinschaft.

Dieses neue Leben in Gemeinschaft bewegt uns wie ein Wind des Wandels, verändert unsere Sprache, verändert die Art und Weise, wie wir miteinander und mit der Welt kommunizieren und umgehen. Möge das Pfingstfest in diesem Jahr eine Zeit des Neuanfangs für uns sein: eine Zeit der Erneuerung unserer Bindung an Gott und aneinander, eine Zeit der Stärkung unseres gemeinsamen Zeugnisses als Diener und Dienerinnen in der Mission Gottes.

Die Verheißung und Herausforderung in Apostelgeschichte 1,8 gilt auch uns heute: "Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde."

Pfingsten zeigt auf sehr konkrete Weise die beiden Kräfte, die die christliche Bewegung vorantreiben: Geist und Wort. Diese Stärke wird den Glaubenden zuteil als Geschenk des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes (Apg 2,33). Das Kommen des Heiligen Geistes bewirkt die Gemeinschaft der Glaubenden und befähigt sie, die Heilsbotschaft weiterzugeben. Das Kommen des Geistes zeigt auch, dass Gottes Gnade allen gilt. Der Heilige Geist, der durch die Propheten sprach, hatte dies schon lange angekündigt: "Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen." (Joel 3,1)

So wollen wir uns darüber freuen, dass Gott der ganzen Kirche zu Pfingsten die Gegenwart des Heiligen Geistes schenkt, und wir wollen gemeinsam darauf antworten, indem wir alle Christi Zeugen und Zeuginnen sind, bis an das Ende der Erde.

Gebet

Gott der Gnade,
komm zu uns, komm und begleite uns auf unserem Weg,
damit wir weitergehen können in deiner Gnade und deinem Frieden.
Erfülle uns mit Hoffnung, damit wir Schranken niederreißen können.
Erleuchte uns auf unserer ökumenischen Reise
und schaffe Raum für Begegnung und Dialog.
Sende deinen Heiligen Geist, dass er uns stärke für unseren prophetischen Auftrag,
die Freiheit zu verkündigen, die von dir kommt.
Dein Heiliger Geist sei uns ein sanftes Wehen, wenn wir Trost und Sicherheit brauchen,
aber ein starker Wind, wenn es uns zu gut geht,
als dass wir unsere Stimme erheben würden.
Dein Leben spendender Friede möge in uns wohnen und seinen Ausdruck finden im Handeln,
im Frieden zwischen Einzelnen, Kirchen und kirchlichen Verantwortlichen,
zwischen Religionen, Völkern und Staaten.
Deine Gnade, die die Kraft hat, die Welt zu verwandeln, möge uns antreiben, Hand in Hand
Zeichen des Friedens zu sein, den deine Liebe schenkt.
Gib uns deinen reichen Segen, wenn wir auf unserem Weg weitergehen
und die gute Nachricht von Gerechtigkeit, Dienst und Angenommensein verkünden.
Amen.

Die Präsidentinnen und Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen

Patriarch Abune Paulos, Äthiopische Orthodoxe Kirche Tewahedo
Pfarrer Prof. Dr. Simon Dossou, Protestantisch-Methodistische Kirche von Benin
Pfarrer Dr. Soritua Nababan, Protestantisch-Christliche Batak-Kirche (HKBP), Indonesien
Pfarrerin Dr. Ofelia Ortega, Presbyterianisch-Reformierte Kirche in Kuba
Pfarrerin Dr. Bernice Powell Jackson, Vereinigte Kirche Christi, USA
John Taroanui Doom, Evangelische Kirche von Maòhi, Tahiti
Erzbischof Dr. Anastasios von Tirana und ganz Albanien, Autokephale Orthodoxe Kirche von Albanien
Dr. Mary Tanner, Kirche von England, Großbritannien

Genf, 28. April 2006

Juan Michel
Pressesprecher