LWB-Generalsekretär Noko: Päpstliche Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia" schenkt Ergebnissen der ökumenischen Dialoge zu wenig Beachtung

Sakramentales Leben der Kirchen soll zur göttlichen Quelle der Einheit werden

Lutherischer Weltbund (LWB)

Der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfr. Dr. Ishmael Noko, hat im Blick auf die heute, 17. April, von Papst Johannes Paul II. veröffentlichte Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia" sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass diese zwar die Ergebnisse der ökumenischen Dialoge mit der römisch-katholischen Kirche anerkenne, gleichzeitig aber deutlich werde, dass hinsichtlich der Eucharistie "keine neuen Ansätze" erzielt wurden.

Die Enzyklika nehme Bezug auf die in ökumenischen Dialogen mit der römisch-katholischen Kirche in den letzten Jahren erzielten "bedeutenden Ergebnisse", betone jedoch gleichzeitig das Verständnis, "dass den Kirchen der Reformation, die nicht in voller Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche stehen, das Weihesakrament fehlt und dass in diesen Kirchen daher die vollwertige Realität der Eucharistie nicht gegeben ist". Es stelle sich nach wie vor die Frage, inwiefern die bilateralen Dialoge "eine Wirkung haben können auf die Regeln und Vorschriften im Blick auf die Spendung der Eucharistie", betonte LWB-Generalsekretär Noko heute in einer Erklärung.

Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GE), die am 31. Oktober 1999 von VertreterInnen der römisch-katholischen Kirche und des Lutherischen Weltbundes unterzeichnet wurde, bringe offiziell eine Übereinstimmung in Grundwahrheiten des Evangeliums zum Ausdruck, so Noko. "Wir verstehen, dass ekklesiologische und kirchenrechtliche Faktoren direkten Konsequenzen einer solchen Übereinstimmung für die kirchliche Praxis im Wege stehen", erklärte der LWB-Generalsekretär.

Wenn jedoch keinerlei Konsequenzen für die institutionellen kirchlichen Beziehungen folgten, könne dies negative Auswirkungen auf die ökumenische Bewegung haben. Langfristig könnte so der Wert einer Einigung in Lehrfragen in Zweifel gestellt werden. Ein unbefristeter Status quo in diesem Bereich sei "eindeutig nicht zufriedenstellend, weder für die römisch-katholische Kirche noch für ihre ökumenischen Partner".

Es bestünde Einigkeit darüber, dass die Feier eines gemeinsamen Abendmahls Element "einer sehr weit fortgeschrittenen Kirchengemeinschaft" sei. Dies sei in den Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche in nächster Zukunft nicht zu erwarten, so Noko. Gegenwärtig stelle sich die Frage, "wie auf dem Weg zu einer Beziehung der vollen Gemeinschaft übergangsweise pastorale Arrangements im Blick auf die gegenseitige eucharistische Gastfreundschaft ökumenisch ausgeweitet werden können".

Der LWB-Generalsekretär rief dazu auf, die gemeinsamen Bemühungen zu verstärken, "damit das sakramentale Leben unserer Kirchen … immer weniger ein Bereich ist, wo Uneinigkeit herrscht, sondern zunehmend mehr zur göttlichen Quelle der Einheit wird, für die Christus gebetet hat und nach der wir alle sehnlichst verlangen".

Genf, 17. April 2003 (LWI)

Wortlaut der Erklärung des LWB-Generalsekretärs

Erklärung des Generalsekretärs des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfr. Dr. Ishmael Noko, zur Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia"

17. April 2003

Am heutigen Gründonnerstag hat Papst Johannes Paul II. die Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia" vorgelegt. Auch lutherische Kirchen in aller Welt werden sich eingehend mit ihr befassen und in der nächsten Zeit sind zahlreiche Stellungnahmen zu ihrem Inhalt zu erwarten.

Ebenso wie frühere Enzykliken von Papst Johannes Paul II. ist auch das vorliegende Dokument stark pastoral ausgerichtet. Es entwickelt die tiefen geistlichen Dimensionen des eucharistischen Sakraments und des Ortes, den es in der Gemeinschaft der Gläubigen hat. Ihrem Wesen nach ist die Enzyklika natürlich an die römisch-katholischen ChristInnen gerichtet und ihr Inhalt ist spezifisch römisch-katholisch geprägt. Dennoch können große Teile des Dokuments, einschließlich zentraler theologischer Abschnitte über die spirituelle Bedeutung des Abendmahls, auch von LutheranerInnen nachvollzogen werden.

Diese Enzyklika wird zu einem Zeitpunkt vorgelegt, der von besonders großen Ängsten und Spannungen geprägt ist. Es besteht heute großer Bedarf an einer Spiritualität und persönliche Frömmigkeit betonenden Ausrichtung auf das Geheimnis, dass Gott selbst in der Welt gegenwärtig ist. Viele Gläubige wenden sich heute verstärkt Gott zu und bemühen sich aus dem Glauben heraus um Kontakte über die Grenzen hinweg, die sie trennen. ChristInnen verschiedener Traditionen empfinden eine tiefe Sehnsucht nach der Kraft, die aus der Gabe ihrer Einheit mit Christus auch durch das Abendmahl erwächst.

Da das Abendmahl von Christus eingesetzt ist, der sich selbst in diesem Sakrament all denen schenkt, die ihm durch die Taufe eingegliedert sind, decken sich die Grenzen der Abendmahlsfeier in der universalen Kirche nicht mit denen kirchlicher Institutionen. Auch die römisch-katholische Kirche erkennt dies an. In dieser Situation ist die Suche nach der sichtbaren Einheit der Kirche ein zentrales Anliegen der aktuellen ökumenischen Dialoge. Durch Übereinkommen über volle Kirchengemeinschaft könnte die Sichtbarkeit der Einheit der Kirche zunehmen.

Die Enzyklika nimmt Bezug auf die in ökumenischen Dialogen mit der römisch-katholischen Kirche in den letzten Jahren erzielten bedeutenden Ergebnisse. Sie geben in der Tat Anlass zur Hoffnung auf eine Zukunft, in der die volle Gemeinschaft in unserem christlichen Glauben verwirklicht werden kann. Gleichzeitig betont die Enzyklika erneut das Verständnis, dass den Kirchen der Reformation, die nicht in voller Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche stehen, das Weihesakrament fehlt und dass in diesen Kirchen daher die vollwertige Realität der Eucharistie nicht gegeben ist. Dass diese Aussage hier erneut in dieser Form gemacht wird, zeigt, dass die langen Jahre des ökumenischen Dialogs seit dem Zweiten Vatikanum, auch im Blick auf die Eucharistie in ihrem Verhältnis zur institutionellen Kirche, seitens des römisch-katholischen Magisteriums keine neuen Ansätze auf diesem Gebiet hervorgebracht haben. Es stellt sich also nach wie vor die Frage, inwiefern die bilateralen Dialoge, an denen die römisch-katholische Kirche beteiligt ist, eine Wirkung haben können auf die Regeln und Vorschriften im Blick auf die Spendung der Eucharistie.

Die lutherisch/römisch-katholische Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999) bringt offiziell eine Übereinstimmung in Grundwahrheiten des Evangeliums zum Ausdruck. Wir verstehen, dass ekklesiologische und kirchenrechtliche Faktoren direkten Konsequenzen einer solchen Übereinstimmung für die kirchliche Praxis im Wege stehen. Wenn jedoch keinerlei Konsequenzen für die institutionellen kirchlichen Beziehungen folgen, kann dies negative Auswirkungen auf die ökumenische Bewegung haben. Langfristig könnte so der Wert einer Einigung in Lehrfragen in Zweifel gestellt werden. Aus diesem Grund ist ein unbefristeter Status quo in diesem Bereich eindeutig nicht zufriedenstellend, weder für die römisch-katholische Kirche noch für ihre ökumenischen Partner.

Alle, die die ökumenischen Dialoge verfolgen oder an ihnen beteiligt sind, sind sich im Klaren, dass Interkommunion und Konzelebration Elemente einer sehr weit fortgeschrittenen Kirchengemeinschaft sind, die in den Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche in nächster Zukunft nicht zu erwarten ist. Gegenwärtig stellt sich die Frage, wie auf dem Weg zu einer Beziehung der vollen Gemeinschaft übergangsweise pastorale Arrangements im Blick auf die gegenseitige eucharistische Gastfreundschaft ökumenisch ausgeweitet werden können. Diese Frage wird besonders in Traditionen wie der lutherischen als brennend empfunden, wo die Sakramente im Zentrum des Verständnisses der Kirche und ihrer Einheit stehen.

Wir müssen nun unsere Bemühungen sowohl im Rahmen der ökumenischen Dialoge als auch im Gebet und gemeinsamen Leben verstärken, damit das sakramentale Leben unserer Kirchen - in denen Christus selbst wahrhaft gegenwärtig ist - immer weniger ein Bereich ist, wo Uneinigkeit herrscht, sondern zunehmend mehr zur göttlichen Quelle der Einheit wird, für die Christus gebetet hat und nach der wir alle sehnlichst verlangen.

Ishmael Noko
Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes