Der Catholica-Beauftragte der VELKD zur Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia"

Sakramentale Überhöhung der Kirche wenig zustimmungsfähig

Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD)

17. April 2003

München/Hannover - "Einerseits handelt es sich um einen erneuten Versuch Roms, auf seelsorgerliche Probleme mit einem dogmatischen Lehrschreiben zu antworten. Andererseits werden diese Fragen aber ebenso wie die ökumenische Perspektive positiv aufgegriffen und respektvoll gewürdigt." So bewertete Landesbischof Dr. Johannes Friedrich, Catholica-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) die neue Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia", die Papst Johannes Paul II. am Donnerstag veröffentlicht hat.

Anerkennenswert sei, dass der Papst mit diesem Lehrschreiben die zentrale Bedeutung des Gottesdienstes unterstreiche. Dem könne man aus evangelischer Perspektive nur freundlich zustimmen. Wenig zustimmungsfähig seien hingegen die sakramentale Überhöhung der Kirche sowie die strikte Verknüpfung der Gültigkeit des Abendmahls mit dem römischen Weihepriestertum. Hier sei zwar in der Sache nichts Neues gesagt, aber die römische Position auch nicht offen für Eucharistiegemeinschaft.

Andererseits, so Friedrich, werden in diesem Dokument ökumenische Perspektiven respektvoll gewürdigt und positiv bewertet. Der Catholica-Beauftragte machte insbesondere auf Ziffer 46 aufmerksam, der zu folge Eucharistie, Bußsakrament und Krankensalbung für solche Christen, "die zwar noch nicht in voller Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche stehen, aber sehnlich den Empfang der Sakramente wünschen, von sich aus darum bitten und den Glauben bezeugen, den die katholische Kirche in diesem Sakrament bekennt", in bestimmten Einzelfällen gespendet werden können. Hier liegen nach Friedrich Chancen für konfessionsverschiedene Ehepaare und Familien.

Friedrich zog folgendes Fazit: "Ich sehe in den neuen Dokument die Bemühung, römisch-katholische Eucharistielehre zu erinnern und zu entfalten, jedoch gleichzeitig auf pastorale und ökumenische Fragen hin zu öffnen, zumindest die Perspektive offen zu halten."

Hannover, 17. April 2003
Udo Hahn
Pressesprecher der VELKD


Die Stellungnahme von Landesbischof Dr. Johannes Friedrich im Wortlaut:

1. Es ist verdienstvoll und anerkennenswert, dass sich Papst Johannes Paul II. in dieser Enzyklika der Eucharistie zuwendet. Damit wir die zentrale Bedeutung des Gottesdienstes für die Kirche auf eindrückliche Weise unterstrichen. Dem können wir grundsätzlich als evangelische Kirche nur freudig zustimmen. Freilich fehlt uns die Gleichbewertung des Wortes. Aus der Sicht einer evangelischen Kirche müsste stets festgehalten werden, dass sich die Kirche auf Wort und Sakrament gründet und durch Wort und Sakrament handelt.

Generell kann man sagen, dass in diesem Text weder eine neue Lehre entfaltet noch die bekannte Lehre verschärft wird. Positionen des Zweiten Vatikanischen Konzils von der "Sakramentalität" der Kirche werden bekräftigt, um die untrennbare Zusammengehörigkeit und Bezogenheit von Kirche und Eucharistie zu wiederholen. Die strikte Verknüpfung des Abendmahls mit dem Weihepriestertum und einem sakramental überhöhten Kirchenverständnis werden evangelische Kirchen nicht teilen können.

Im Abschnitt 30 werden "ökumenische Aktivitäten" dezidiert angesprochen. Der Papst dankt "für bedeutsame Fortschritte und Annäherungen ..., die uns auf eine Zukunft in voller Glaubensgemeinschaft hoffen lassen". Damit ist deutlich, dass es im vorliegenden Dokument nicht um eine antiökumenische oder ökumenekritische Positionierung geht. Kirchengemeinschaft sei noch nicht erreicht wegen der unterschiedlichen Stellung zur Transsubstantiationslehre (Lehre vom Substanzwandel von Brot und Wein in Leib und Blut Christi) und zum Weihepriestertum. Darum könne es keine eucharistische Gastfreundschaft und keine ökumenischen Wortgottesdienste anstelle der Messe geben. Zugleich werden aber an dieser Stelle Türen geöffnet beziehungsweise offengelassen, insofern der Text ökumenische Wortgottesdienste neben der Messe am Sonntag nicht ausschließt. Und: ökumenische Wortgottesdienste und gemeinsame Gebetstreffen "bei geeigneten Anlässen" werden als "in sich selbst lobenswert" bewertet, und es wird ihnen zugestanden, dass sie "auf die ersehnte volle, auch eucharistische Gemeinschaft" vorbereiten. Dies ist ein wichtiges Signal aus Rom, durch das sich alle ökumenisch bewegten Menschen, alle, die auf die Einheit hoffen, ermutigt fühlen dürfen.

Zu meinem Bedauern werden im Dokument, wie nicht anders erwartet, sowohl die gemeinsame Feier der eucharistischen Liturgie (45) wie auch die gegenseitige eucharistische Gastfreundschaft (44) generell abgelehnt. Ausdrücklich zitiert der Papst aber aus der Enzyklika "Ut unum sint": "Doch haben wir den sehnlichen Wunsch, gemeinsam die Eucharistie des Herrn zu feiern, und dieser Wunsch wird schon zu einem gemeinsamen Lob, zu ein und demselben Bittgebet. Gemeinsam wenden wir uns an den Vater und tun das zunehmend mit ,nur einem Herzen'." Damit wird an dieser Stelle wenigsten das ökumenische Bemühen um das gemeinsame Ziel ausdrücklich positiv bewertet.

Ja - man könnte in Nr. 45 sogar eine Öffnung der eucharistischen Gastfreundschaft "unter besonderen Umständen und gegenüber einzelnen Personen" finden, wie sie die Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz in ihrer Antwort auf eine entsprechende Problemanzeige der Nürnberger ACK aus dem Jahr 1995 gegeben hat.

Ziffer 46 erweitert dies im Hinblick auf Buße und Krankensalbung für solche Christen, "die zwar noch nicht in voller Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche stehen, aber sehnlich den Empfang der Sakramente wünschen, von sich aus darum bitten und den Glauben bezeugen, den die katholische Kirche in diesem Sakrament bekennt". Hier liegen Chancen für konfessionsverschiedene Ehepaare und Familien.

Fazit: Die Enzyklika ist einerseits ein erneuter Versuch, auf pastorale Nöte (Priestermangel, konfessionsverschiedene Ehen und Familien) und ökumenische Anfragen mit einem dogmatischen Lehrschreiben zu reagieren. Auf der anderen Seite werden die seelsorgerlichen Fragen wie auch die ökumenischen Aktivitäten sehr wohl aufgegriffen und respektvoll gewürdigt. Ich sehe in dem neuen Dokument die Bemühung, römisch-katholische Eucharistielehre zu erinnern und zu entfalten, jedoch gleichzeitig vorsichtig auf pastorale und ökumenische Fragen hin zu öffnen, zumindest die Perspektive offen zu halten. Um das Dokument in seine vollen Tragweite zu würdigen, ist weniger ein Vergleich mit dem ökumenisch Wünschbaren hilfreich als vielmehr jener mit den letzten großen Eucharistie-Enzykliken "Caritatis Studium" (1898) und "Mirae caritatis" (1902), die Papst Leo XIII. veröffentlich hat.