Asylbewerber sollen sich frei bewegen dürfen

EKM plädiert für Abschaffung der Residenzpflicht durch Bundesrat

Evangelische Kirche in Mitteldeutschland

30. Juli 2010

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) begrüßt die geplante Lockerung der Residenzpflicht für Asylbewerber in Thüringen, plädiert jedoch für weitreichendere Regelun­gen als von der Landesregierung vorgesehen. So sollen sich Flüchtlinge unbeschränkt frei bewegen können – zunächst im Freistaat und perspektivisch in ganz Deutschland. Deshalb ermutigt die EKM die Landesregierung, sich für eine komplette Abschaffung der Residenz­pflicht im Bundesrat einzusetzen. Auch für geduldete Flüchtlinge soll es keine Beschränkun­gen geben. Die EKM hat Stellungnahmen zum Thema an den Innenausschuss des Landtages sowie die Landesregierung eingereicht.

"Wir fordern seit Jahren die Abschaffung der Residenzpflicht – sie ist nicht notwendig", sagt Petra Albert, Migrationsbeauftragte der EKM. "Da Thüringen relativ kleine Verwaltungs­einheiten hat und die Anzahl der Flüchtlingen gering ist, gibt es Probleme bei der für Migrantinnen und Migranten notwendigen Infrastruktur. So fehlt ein flächende­ckendes Netz unabhängiger Beratungsstellen. Außerdem leiden viele Flüchtlinge unter der Vereinzelung, denn sie dürfen ihre Freunde in anderen Landkreisen oder kreisfreien Städten nicht einfach besuchen", betont Albert. Bis die Residenzpflicht generell abgeschafft ist, plä­diert sie für eine Lockerung, die jedoch umfassender sein soll als von der Landesregierung geplant. Davon könnten zum einen die Betroffenen profitieren, zum anderen würden die Be­hörden entlastet.

Für die Betroffenen werde durch die Abschaffung der Residenzpflicht die Kontaktpflege zu Freunden und Bekannten erleichtert. Zudem könnten sie soziale Einrichtungen und unabhän­gige Beratungsstellen für Asylangelegenheiten sowie Migranten-Netzwerke und interkulturell kompetente Fachärzte einfacher aufsuchen, denn die gebe es im Freistaat nur in wenigen Landkreisen. So darf das Psychosoziale Zentrum für Flüchtlinge in Jena bisher von den meis­ten Betroffenen nur mit Erlaubnisschein besucht werden. Auch der uneingeschränkte Besuch der Stadt Erfurt bleibe den meisten Asylbewerbern trotz der vielen wichtigen Kontaktstellen nach den Planungen der Landesregierung verwehrt. Außerdem gebe es im Freistaat Thüringen keine flächendeckende Möglichkeit zur Religions­ausübung, so dass beispielsweise das Aufsuchen eines muslimischen Gebetshauses gegen­wärtig für viele Asylbewerber ohne Erlaubnisschein nicht möglich sei. "Wir bitten die Lan­desregierung, ihren Entwurf einer Thüringer Verordnung zu überdenken und die geplante Lockerung der Residenzpflicht aufgrund der örtlichen Verhältnisse in Thüringen deutlich großzügiger zu gestalten als geplant", sagt Petra Albert.

Hintergrund:
Asylbewerber dürfen sich bisher in Thüringen grundsätzlich nur in dem von der Ausländerbe­hörde zugewiesenen Gebiet und damit nur in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt aufhalten. Falls sie das Gebiet verlassen wollen, brauchen sie in der Regel eine Verlassenser­laubnis, die bei der Ausländerbehörde beantragt werden muss. In einem Antrag fordert die Fraktion der FDP im Thüringer Landtag, dass eine Lockerung der Residenzpflicht für Asyl­bewerber im Freistaat geprüft werden soll. Diesen Antrag hat der Innenausschuss zum Anlass für eine schriftliche Anhörung zum Thema genommen. Die Landesregierung hat einen "Ent­wurf einer Thüringer Verordnung über den vorübergehenden Aufenthalt von Asylbewerbern außerhalb des Bereichs der Aufenthaltsgestattung" vorgelegt und ebenfalls ein schriftliches Anhörungsverfahren gestartet. In dem Entwurf wird das frei zugängliche Gebiet für Asyl­bewerber auf angrenzende Landkreise und kreisfreie Städte erweitert, für alle anderen Gebiete brauchen sie jedoch weiterhin eine Verlassenserlaubnis.

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