Gesucht: 15.000 Fachkräfte bundesweit– der Pflege droht ein Personalmangel

Diakonie macht sich stark für die ideelle und finanzielle Anerkennung der Pflege

Diakonisches Werk der EKD (DW)

01. September 2009

Heute veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit die aktuellen Arbeitsmarktdaten. Einmal mehr wird dann deutlich: Deutschland droht ein dramatischer Personalmangel im Pflegebereich. Seit Jahren wächst die Zahl der offenen Stellen. Allein in der Altenpflege waren es im Juli 14.791 Arbeitsplätze, fast 50 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Experten schätzen, dass bis 2020 ein zusätzlicher Personalbedarf von mehr als 50.000 Pflegekräften im stationären und 27.000 im ambulanten Bereich gedeckt werden muss.
Diakonie-Pflegeeinrichtungen in Thüringen sind alarmiert. So erklärt Heidrun Schönfeld, Heimleiterin in zwei Diakonie-Altenhilfeeinrichtungen in Waltershausen, dass gut ausgebildete Fachkräfte inzwischen gezielt in die westdeutschen Bundesländer abgeworben werden. „Ein deutliches Zeichen dafür, dass der Fachkräftemangel auch bei uns kommt. Pläne der Bundesregierung, die schulischen Zugangsvoraussetzungen zum Pflegeberuf weiter abzusenken, sind ein offener Widerspruch zu den Anforderungen an gute Pflege und mindern die Attraktivität des Berufsbildes.“

Jörg Rosenthal, Diakon und Geschäftsführer im Wilhelm-Augusta-Stift in Schleusingen, hat drastische Erfahrungen gemacht: „Im letzten Ausbildungsjahrgang haben wir vier Azubis ausgebildet. Drei haben den Abschluss nicht erreicht, eine Absolventin ist in die Schweiz gegangen. Meine Beobachtung ist, dass vielen Bewerbern heute die persönliche Eignung und Reife für den Pflegeberuf fehlt.“ Hinzu kommt, dass im nahen Bundesland Bayern Pflegefachkräfte deutlich besser bezahlt werden.

Einen eindeutigen Negativtrend beschreibt Pfarrer Martin Herrmann, Geschäftsführer im Diakonischen Bildungsinstitut Johannes Falk (DBI), bei den Schülerbewerbungen für eine Pflegeausbildung. „Sowohl bei den Pflegekräften, als auch im Erzieherberuf, rechnen wir mit einem eindeutigen Einbruch der Bewerberzahlen. Derzeit haben sich unsere Schülerzahlen aber fast verdoppelt durch die Kooperation mit den Arbeitsagenturen.“ Mit Bildungsgutscheinen werden Menschen unterstützt, die durch Umschulung und nach einer Erwerbspause eine neue berufliche Orientierung suchen. „Unsere Absolventen werden zu einhundert Prozent übernommen.“

Der Pflegebereich wäre ein Jobmotor – wäre es um das Ansehen des Berufsfeldes in der breiten Öffentlichkeit besser bestellt. Groß sind die physischen und psychischen Belastungen, nicht immer ausreichend die Personalschlüssel und die Bezahlung entspricht nicht immer der verantwortungsvollen Tätigkeit. „Der Beruf muss attraktiver werden. Der Wert der Pflege muss ideell und finanziell anerkannt werden“, fordert Eberhard Grüneberg, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland. „Wir fordern eine Entbürokratisierung und klare gesetzliche Rahmenbedingungen, die die wachsenden Ansprüche im Blick haben. Nur so wird gute Pflege Zukunft haben.“

Mit der Aktion WEIL WIR ES WERT SIND setzt sich die Diakonie daher für eine Anpassung der Sozialgesetzgebung ein. Kernstück der Forderungen ist eine gerechte Bezahlung der Mitarbeitenden. Grüneberg: „Nur mit einer verlässlichen Finanzierung werden wir gute Pflege dauerhaft leisten können. Nur so können wir auch eine gute Ausbildung und die notwendige Qualifizierung unserer Mitarbeitenden ermöglichen und den Pflegeberuf für Fachkräfte und den Nachwuchs attraktiv gestalten.“

Mit der Unterschriftenaktion setzt sich der evangelische Wohlfahrtsverband gemeinsam mit Pflegekräften, Pflegebedürftigen und Angehörigen für die ideelle und finanzielle Anerkennung der Pflege ein. Ziel der Kampagne: Noch vor der Bundestagswahl sollen die Unterschriften an Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Parteivorsitzende aller Bundestagsparteien übergeben werden. Damit will die Diakonie erreichen, dass ihre Forderungen in die Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. Mehr Informationen unter www.weil-wir-es-wert-sind.de.

In Thüringen gibt es unter dem Verbandsdach der Diakonie Mitteldeutschland 42 stationäre Pflegeeinrichtungen mit 2.540 Plätzen und 1.564 hauptamtlichen Mitarbeitern. Davon sind 18 Einrichtungen Ausbildungsstätte (43 %). 45 ambulante Pflegedienste (Sozialstationen) mit 919 hauptamtlichen Mitarbeitern unterstützen Menschen, die zu Hause gepflegt werden wollen.


Frieder Weigmann
Pressesprecher, Referatsleitung
Medien, Marketing und Kommunikation
Diakonie Mitteldeutschland
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