Stellungnahme des Ökumenedezernenten Oberkirchenrat Christian Schad, zum Text der Glaubenskongregation

"Wir haben uns vielmehr offensiv der römischen Provokation zu stellen"

Evangelische Kirche der Pfalz

10. Juli 2007

Mit den heute veröffentlichten „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ wiederholt die Glaubenskongregation die Aussagen des Dokuments „Dominus Iesus“ aus dem Jahr 2000. Der von Papst Benedikt XVI. ausdrücklich gebilligte Text gesteht zwar zu, dass außerhalb der römisch-katholischen Kirche „vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit“ zu finden seien. In Bezug auf den Protestantismus wird allerdings erneut unterstrichen, dass die aus der Reformation hervorgegangenen evangelischen Kirchen nicht als „Kirchen“, sondern als „Gemeinschaften“ tituliert werden müssen, da sie in wesentlichen Fragen des priesterlichen Amtes und der sog. Apostolischen Sukzession erhebliche „Defekte“ aufweisen.

So unannehmbar für die Kirchen der Reformation die behauptete römische Exklusivität in der Tat ist, so wenig besteht Anlass, evangelischerseits mit beleidigtem Rückzug und Gesprächsabbruch zu reagieren. Wir haben uns vielmehr offensiv der römischen Provokation zu stellen, auf der Suche nach eigenständigen Zielbestimmungen für den künftigen Weg. Und insofern auch wir im Glaubensbekenntnis die „eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ bekennen, ist das von der Glaubenskongregation gewählte Kriterium für das Kirchesein der Kirche – nämlich die Apostolische Sukzession – gerade positiv aufzunehmen!

Der Begriff des Apostolischen haftet an der ursprünglichen Bezeugung Jesu Christi als des Lebensgrundes der Kirche. Die Apostolizität der Kirche ist demnach deren Treue zu ihrer im urchristlichen Apostolat sich ausdrückenden Sendung und Aufgabe, das Evangelium mit Gedanken, Worten und Werken zu verkündigen. Weil und insofern auch die evangelische Kirche das apostolische Christuszeugnis, wie es in der Urkunde der Heiligen Schrift fixiert ist, in die jeweilige Gegenwart hinein dolmetscht, existiert sie in apostolischer Sukzession!

Das kirchliche Amt hat daher allein die Aufgabe, der Auslegung der Schrift – und damit zugleich auch seinem bleibend kritischen Gegenüber – zu dienen. Wo also dem Zuspruch und dem Anspruch der biblischen Texte gemäß gepredigt, gelehrt und gehandelt wird, wo Jesus Christus Quelle, Mitte und Norm des Lebens ist, dort ist apostolische Sukzession.

Entsprechend spendet die evangelische Kirche das Sakrament des Abendmahls, wie es in der Schrift bezeugt ist und wie es auch die römisch-katholische Kirche bekennt: als Feier des Gedächtnisses des Todes und der Auferstehung Jesu und seiner Gegenwart und der Gemeinschaft mit ihm und aller am Mahl Teilnehmenden.

So verstanden, führt gerade die römische Provokation zur Selbstvergewisserung der evangelischen Kirche, ebenfalls in der apostolischen Nachfolge der ersten Frauen und Männer zu stehen, die Jesus zur Verkündigung und zur Darreichung der Sakramente eingesetzt hat. Sie führt – darüber hinaus – zu der Einsicht, was zur wahren und vollkommenen Einheit aller Christen gehört: nämlich nicht mehr und nicht weniger als dies, dass Jesus Christus in allen kirchlichen Handlungen das erste und das letzte Wort hat.

Das heißt gerade nicht, dass das Ziel der Ökumene eine uniformierende Einheitskirche ist. Eine Rückkehr-Ökumene in den Schoß der römisch-katholischen Kirche wird es mit uns nicht geben. Ziel ist auch nicht die Herstellung einer einheitlichen kirchlichen Struktur, die es übrigens historisch nie gegeben hat. Einheit der Kirche ist vielmehr ein dynamischer Prozess, das gegenseitige Aufeinanderbezogensein der bleibend verschiedenen Kirchen in Gemeinschaft. Vielfalt und Pluralität sind gerade kein Mangel, sondern gehören nach evangelischem Verständnis zum Wesen der Kirchengemeinschaft und sind in gewisser Weise Voraussetzung lebendiger Einheit. Ohne ein entschlossenes Ja zu einer Kultur der Differenz, zu einem fruchtbaren Zusammenspiel der Verschiedenen, kann die Kirche als lebendiger Organismus nicht existieren. Ökumene bedeutet: dass Kirchen Kirchen bleiben und doch eine Kirche werden. Einheit als Gemeinschaft – mit dem Ziel, dass die unterschiedlichen Kirchenfamilien sich wechselseitig in vollem Sinne als „Kirche“ anerkennen.

Das heißt z. B.: Obwohl das Amt des Papstes als ein die Einheit förderndes Institut nach evangelischem Verständnis kein integrierender Bestandteil des Wesens der Kirche ist, kann eine solche Institution durchaus sinnvoll und insofern eine Einheit mit – aber nicht unter – dem Papst sehr wohl möglich sein. Darum lassen wir uns die Hoffnung auf eine ökumenische Zukunft der Kirchen nicht nehmen. Dies bedeutet nicht Auflösung und Nivellierung der konfessionellen Profile, sondern die Überwindung ihres trennenden Charakters. Daran zu arbeiten und sich der Diskussion um das Kirchenverständnis neu zu stellen, dazu spornt das jüngste Papier der Glaubenskongregation an.(lk)

Speyer, den 10. Juli 2007

Pressestelle