Ein Signal, das nicht weiter bringt

Erklärung des Catholica-Beauftragten der VELKD

Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD)

10. Juli 2007

Erklärung des Catholica-Beauftragten der VELKD, Landesbischof Dr. Friedrich Weber (Wolfenbüttel), zum Dokument „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ der Kongregation für die Glaubenslehre

Das am heutigen Tag veröffentlichte Dokument zur römisch-katholischen Lehre von der Kirche ist am 29. Juni (Peter und Paul) von William Kardinal Levada, dem Präfekten der Glaubenskongregation, unterzeichnet worden.

Das Papier beantwortet 5 Fragen, die sich insbesondere um die Erläuterung des Satzes aus dem Konzilsdokument des Zweiten Vaticanums „Lumen gentium“, die Kirche Jesu Christi „subsistiere“ in der (römisch-) katholischen Kirche, befassen. Beigefügt ist ein Kommentar, der die Antworten auf die Fragen noch einmal erläutert.

Das Dokument, das zu Beginn vehement erklärt, das Zweite Vatikanische Konzil habe keine neue Lehre von der Kirche entwickelt, kommt zu dem Ergebnis, dass das „Subsistieren“ zwar im Sinne einer Identifikation zu verstehen sei, aber nicht im Sinne einer exklusiven Identifikation. Es bestätigt damit die geltende Lehre, dass es auch in den von Rom getrennten kirchlichen Gemeinschaften „Elemente der Heiligung und Wahrheit“ zu finden seien.

In der Einschätzung der von Rom getrennten Kirchen wird noch einmal unterschieden: Es gibt orthodoxe Kirchen, die Teil- oder Ortskirchen genannt werden können, weil in ihnen die historische Sukzession im Bischofsamt fortlebt und darum die Eucharistie in ordentlicher Weise gefeiert werden kann; dagegen haben die evangelischen Kirchen diese Sukzession und damit das Weihe- und Altarsakrament nicht bewahrt und sind deshalb nicht Kirchen im eigentlichen Sinn.

Die „Antworten“, die alles andere als neu sind, richten sich vor allem gegen Personen in der eigenen Kirche, die sich auf dem Feld der Ökumene zu weit vorwagen. In neueren katholischen Entwürfen einer Lehre von der Kirche im Bereich der wissenschaftlichen Theologie werden auch nichtkatholische Kirchen als Kirchen angesprochen, die Einzigkeit und Einzigartigkeit, wie sich die Kirche Jesu Christi in der römisch-katholischen Kirche verwirklicht, wird hinterfragt. Selbst Kardinal Walter Kasper hatte im Blick auf die nichtkatholischen Kirchen von verschiedenen „Kirchentypen“ gesprochen. Solche „irrigen Interpretationen“ (Einleitung) will das Dokument zurückweisen. Daran, dass ihm das gelingt, kann man zweifeln.

Denn schon die Einschätzung, die Kardinal Lehmann dem Dokument zukommen lässt, macht hellhörig. Er nennt die Lehre des 2. Vatikanischen Konzils einen „neuen Schritt für die Lehre von der Kirche“; und er erklärt, die Stellungnahme lasse Raum, die anderen „Kirchen“ nicht nur moralisch, sondern theologisch als Kirchen zu achten – ohne hier zwischen orthodoxen und evangelischen zu unterscheiden.

Man könnte auf das Dokument mit Zorn oder Unverständnis reagieren – mich macht der Text eher traurig. Denn hier wird zum einen sichtbar, wie sich die offizielle Lehre der Kirche immer weiter von den ökumenischen Realitäten entfernt, die in vielen benachbarten evangelischen und katholischen Gemeinden an der Tagesordnung sind. Wenn in den „Antworten“ zum x-ten Mal den evangelischen Kirchen ihr Kirchesein abgesprochen wird, dann wird das in vielen katholischen Gemeinden auf pures Unverständnis stoßen, denn in den Gemeinden werden evangelische Gemeinden als echte Kirchen-Gemeinden wahrgenommen. Es bleibt die Frage, warum dieses Signal jetzt und immer wieder gesendet wird und nicht eins, das weiter bringt.

Zum anderen ist es wirklich schade, wie sich die vatikanische Theologie selbst isoliert, indem sie sich und ihre theologischen Grundsätze in solcher Weise absolut setzt. Indem die „Antworten“, wie der verstorbene Kirchenhistoriker und Ökumeniker Jörg Haustein es einmal für die römisch-katholische Kirchenlehre insgesamt formulierte, „eigene partikularkirchliche Sonderlehre zum Maßstab allen christlichen Redens und Glaubens von Kirche machen“, verhindern sie einen konstruktiven Dialog, den der Kommentar zu den „Antworten“ doch gerade eröffnen will. Ein Dialog aber ist ohne Eingehen auf die hermeneutischen und theologischen Grundsätze der Partner nicht möglich.

Darum unterstreicht das neue Dokument aus Rom die Dringlichkeit, in kommenden ökumenischen Dialogen die Fragen ökumenischer Hermeneutik und ökumenischer Methodik aufzugreifen. Wir müssen – so scheint es – zunächst neue Voraussetzungen für konstruktive Dialoge schaffen, bevor wir uns erneut den Sachfragen des Dialogs zuwenden können. Der Kommentar zu den „Antworten“ und die Einschätzung von Kardinal Lehmann haben dafür ein Gespür. Darin liegt in aller Trauer doch auch wieder ein gutes Maß Hoffnung.

Hannover, 10. Juli 2007

Udo Hahn
Pressesprecher